Paladin Investorenbrief Q3/2019

die Faszination des Value-Investing ist ungebrochen. Belege dafür gibt es viele: „The Intelligent Investor“, 1949 erschienen, gilt als Standardwerk und hat seitdem unzählige Investoren mit dem Value-Virus infiziert. Laut Amazon Ranking 2019 zählt das Buch 70 Jahre nach Erstauflage noch immer zu den drei meistgekauften Wirtschaftsbüchern. Dazu erscheinen beinahe täglich Artikel über die „Schüler“ des Autors Benjamin Graham: Warren Buffet, Charles Munger…Investorenlegenden, die durch das Investieren nach Value Kriterien über Jahrzehnte zuverlässig den Markt geschlagen haben. Motiviert ihnen nachzueifern?

Doch warum scheitert der klassische Value-Investing-Ansatz regelmäßig in der Praxis? Warum trifft man allein durch das Lesen von Bankenresearch keine guten Investmententscheidungen? Und was ist aus unserer Sicht letztlich der Unterschied zwischen einem guten Unternehmen und einem intelligenten Investment?

Dieser Investorenbrief beantwortet all diese Fragen. Doch bevor wir eintauchen, ein kurzes Update zu den jüngsten Entwicklungen des Paladin ONE sowie einiger Portfoliopositionen des Fonds.

In diesem Jahr konnte der Paladin ONE bis Ende September eine Wertsteigerung von 6,61% verzeichnen. Das Portfolio steht unverändert stabil und schwankt nur halb so stark wie beispielsweise der DAX. Diese positive Entwicklung wird auch durch die beeindruckenden operativen Entwicklungen der nachfolgend beispielhaft ausgewählten Portfoliopositionen getragen.

Innogy. Im Sommer 2018 haben wir als Erste überhaupt von einem Nachbesserungsmechanismus im Rahmen der innogy-Übernahme durch E.ON berichtet. Im Vergleich aller je von uns veröffentlichten Beiträge hat dieser Artikel die mit Abstand größte Resonanz erhalten. Obwohl auf Deutsch geschrieben, haben sich zwischenzeitlich über drei Dutzend professionelle Investoren aus dem angelsächsischen Raum mit uns in Verbindung gesetzt, um dieses Investment mit uns zu diskutieren.

Die innogy-Übernahme ist vor wenigen Tagen wirksam geworden. Der von uns identifizierte Nachbesserungsmechanismus hat gegriffen. Einzig bei der Höhe der Nachbesserung hatten wir eine positivere Einschätzung. Letztlich hat E.ON zusammen mit der BaFin eine Erhöhung von 37 Euro auf 37,59 Euro festgesetzt. Ob Paladin dagegen klagt, wurden wir vielfach gefragt. Nein, denn das ist nicht Teil unserer Strategie. Das Investment wurde mit rund 7,5% Wertsteigerung abgeschlossen und das mit verschwindend geringer Volatilität und annähernd ohne Verlustrisiko. Insofern sind wir im Sinne unserer Investoren sehr zufrieden.

Medios. Positive Entwicklungen bei Medios finden regelmäßig Erwähnung in unseren Updates. Einmal mehr hat unsere größte Portfolioposition die Prognose erhöht (was im derzeitigen Marktumfeld eher die Ausnahme ist). Nachdem das Unternehmen mit einer Umsatzerwartung von 400 bis 410 Mio. Euro in das laufende Jahr gestartet ist, wurde diese vor einigen Tagen auf respektable 500 bis 510 Mio. Euro erhöht. Wenn man innerhalb eines Jahres allein durch organisches Wachstum eine Prognose um mehr als 20% erhöht, dann kann sich sehen lassen.

Deutsche Konsum. In unserem letzten Investorenbrief konnten sich unsere Leser ein eigenes Bild von Rolf Elgeti und seiner Deutschen Konsum machen. Im Portfolio des Paladin ONE sorgt die Entwicklung der klug geführten Unternehmung für Freude – auch aufgrund der von uns identifizierten Renditearbitrage. Da passt es ins Bild, dass die Gesellschaft hierfür eine erneute Kapitalerhöhung durchgeführt hat, denn durch konsistente Anwendung der bekannten Systematik ist jede Kapitalmaßnahme hier werterhöhend. Der Ausgabepreis lag mit 15,50 Euro wieder fühlbar über dem Preisniveau der letzten Kapitalerhöhung. Vorstand und Großaktionär Rolf Elgeti zeichnete 20% der gesamten Kapitalmaßnahme gleich selbst. Wir sind ebenfalls dabei. Durch den Einstieg der MFS Investment Management konnte zudem einer der reputabelsten Vermögensverwalter der Welt gewonnen werden.

Wir wünschen allen Lesern einen schönen Feiertag und eine bunte Herbstzeit

Für das Paladin-Team

Matthias-Chr. Kurzrock      Marcel J. Maschmeyer

Anlagestrategie des Paladin ONE

Der Paladin ONE ist ein Aktienfonds, der primär in Aktien aus dem deutschsprachigen Raum investiert (D-A-CH). Eine benchmarkorientierte Denkweise wird bewusst vermieden. Der absolute Vermögenserhalt steht im Vordergrund.

Wir verfolgen zwei Ziele:
1. eine durchschnittliche Performance von 10% p.a. im langjährigen Durchschnitt
2. bei einer im Vergleich mit gängigen Aktienindizes deutlich geringeren Volatilität. 
 
Der Fonds investiert ausschließlich auf Basis von eigenem Research in ein konzentriertes Portfolio aus 15 bis 25 Aktien.
Der dem Paladin ONE zugrunde liegende selbst entwickelte, stringente Investmentansatz setzt auf drei Säulen: Value-Aktien, Sondersituationen und Liquidität.

Value-Aktien sind unserer Definition nach unterbewertete Unternehmen mit der Fähigkeit, nachhaltig positive Zahlungsströme zu generieren (Free Cashflow). Die Auswahl geeigneter Unternehmen erfordert im ersten Schritt die Analyse großer Datenmengen. Hierbei profitieren wir von einer großen und sukzessive weiter wachsenden Wissensdatenbank. Die Analyse potentieller Zielunternehmen erfolgt mit unserem selbst entwickelten Analysetool. Hinzu kommen Gespräche mit dem Management der Zielunternehmen. Jede Investmententscheidung wird im Rahmen eines internen Dokuments ausführlich verschriftlicht.

Sondersituationen (sogenannte Special Situations) bilden die zweite Säule unseres Anlagekonzeptes. Durch die Investition in Sondersituationen gewinnt das Portfolio deutlich an Planbarkeit und Stabilität. Um diese Situationen richtig zu erkennen, zu bewerten und treffsicher zu nutzen, bedarf es langjähriger Erfahrung und sehr spezieller juristischer Kenntnisse. Das Paladin-Team verfügt über den wertvollen Erfahrungsschatz von mehr als 150 analysierten Sondersituationen.

Eine stark atmende Liquidität ist die dritte Säule unserer wertorientierten Anlagestrategie. Diese sichert in Phasen von verstärkten Kursbewegungen die Wertentwicklung des Fonds gegen zu starke Kursschwankungen ab und dient gleichzeitig als trockenes Pulver für neue Opportunitäten.

Wertentwicklung des Paladin ONE

(Alle Berechnungen auf Basis der Bewertung per 30. September 2019)

Das Resultat lässt sich am besten in folgendem Chart ablesen. Hier ist gut zu erkennen, dass sich der Fonds – insbesondere in schwachen Marktphasen – deutlich stabiler entwickelt hat als der CDAX.

Das Portfolio des Paladin ONE per 30.09.2019

Ganz oben auf der Wunschliste unserer Investoren steht regelmäßig ein umfassender Einblick in das Portfolio des Paladin ONE. Um größtmögliche Transparenz zu gewährleisten, haben wir das Factsheet unseres Fonds komplett überarbeitet. Interessenten und Investoren finden hier tagesaktuell folgende Informationen zum Paladin ONE:

  • Performance und Kennzahlen
  • aktuelle und historische Gewichtung der drei Säulen Value-Aktien, Sondersituationen und Liquidität im Zeitverlauf
  • Top 10 Positionen, Übersicht Länderallokation und Gewichtung des Portfolios nach Marktkapitalisierung

Value-Investing und die Margin of Safety – der Weg zum Anlageerfolg?

Die Anlagestrategie des Fonds Paladin ONE basiert auf den drei Säulen Value-Aktien, Sondersituationen und Liquidität. Dieser Beitrag schafft ein Verständnis dafür, unter welchen Umständen wir von einer Value-Aktie sprechen. Es gibt gute Gründe dafür, dass sich unsere Definition vom allgemein gültigen Konsens unterscheidet.
Der übliche Einstieg in das Thema Value-Investing klingt in etwa so: bestimme den fairen Wert einer Aktie und kaufe diese, wenn sie an der Börse mit einem Abschlag (Margin of Safety) gehandelt wird. Einfacher formuliert: ‚buy a dollar for 50 cents‘ und warte, bis die Börse hierfür wieder (annähernd) 1 Dollar bezahlt.

Diese Systematik klingt einleuchtend und gleichzeitig wunderbar einfach. Was also steht einem beträchtlichen Anlageerfolg im Weg, wenn man diesem Grundprinzip folgt? Nennen wir es mal „die Übersetzung der Theorie in die Praxis des realen Marktgeschehens“.

Die Gretchenfrage nach dem fairen Unternehmenswert

„Wie hoch ist eure Sicherheitsmarge (Margin of Safety)? Wie hoch muss der Abschlag zum fairen Wert sein, damit ihr investiert?“ Diese Frage wird uns häufiger gestellt, ist aber eigentlich die falsche. Denn sie übergeht die vordringlichere Frage nach dem substantiellen Kern einer jeden Investmententscheidung: die Frage nach dem fairen Unternehmenswert.

Zur Bestimmung des „fair value“ existieren unzählige Methoden. Multiplikatoren wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) oder das EV/EBIT-Verhältnis (Enterprise Value/EBITDA) sind bekannt und werden gern verwendet. Die Aussagekraft dieser Kennzahlen ist allerdings begrenzt, denn sie werden „mit dem Blick in den Rückspiegel der Unternehmensentwicklung“ ermittelt.

Erschwerend kommt hinzu, dass in der Regel ein festes Koordinatensystem fehlt, das eine angemessene Einordnung der Kennzahlen ermöglicht. Je nach Marktphase kann ein KGV von 17 beispielsweise hoch oder niedrig erscheinen. Wir bei Paladin wenden eigene, ausgefeilte(re) Methoden zur Bestimmung des fairen Unternehmenswertes an, die deutlich darüber hinausgehen. Jeder, der uns schon einmal direkt über die Schulter gesehen hat, kennt unser umfangreiches Bewertungstool, das wir in den letzten Jahren zu einem aussagekräftigen und leistungsstarken Werkzeug weiterentwickelt haben.

Unternehmenswert vs. Unsicherheit

Wir sind uns bei der Bestimmung des Unternehmenswertes bewusst, dass wir hierbei zu jeder Zeit eine unangenehme Begleiterin haben: die Unsicherheit. Denn jedes Modell verarbeitet Prognosen zur künftigen Entwicklung der maßgeblichen Parameter. Und so ausgefeilt Prognosen auch sein mögen: die Zukunft kümmert sich meist wenig darum. Kurzum: die Dinge entwickeln sich häufig anders als gedacht.

Wozu das führen kann, zeigt folgender Chart der Covestro-Aktie, in den die konkreten Handelsempfehlungen einer deutschen Bank eingezeichnet sind. Im Grunde sind sowohl die Bank als auch das Unternehmen, um das es sich handelt, irrelevant: das Muster, das hier erkennbar wird, lässt sich nämlich mit großer Regelmäßigkeit beobachten.

Ein Gedanke vorab mit Blick auf den Chart: was wäre die Erwartungshaltung an einen Analysten, der sich seit langem mit dem Unternehmen beschäftigt? Mit Blick in den Rückspiegel hätte er im Jahr 2016 idealerweise eine Kaufempfehlung veröffentlicht. Gefolgt von einem klaren Verkaufsvotum bei Kursen zwischen 80 und 90 Euro.

Der Analyst hat sich 2017 bestimmt ausführliche Gedanken über die künftige Entwicklung der Covestro AG gemacht. Nach einer erfolgreichen operativen Entwicklung – gut nachzuvollziehen im positiven Kursverlauf – liegt es in der Natur des Menschen, diese auch in der Prognose fortzuschreiben. Das Ergebnis: Kursziel 100 Euro, mehr als 20% Kurspotential. Im Sommer 2018 wurde das Kursziel dann auf 110 Euro erhöht.

Es folgte eine bis dato moderate Abkühlung der Weltkonjunktur. In einem schwachen Börsenumfeld halbierte sich der Covestro-Kurs. Wer der Kaufempfehlung mit Kursziel 110 Euro gefolgt war, erhielt nach einem Kursrutsch auf rund 44 Euro das nächste Update. Die Hälfte des investierten Geldes wäre vorerst verloren. Der Analyst empfahl in der Folge die Aktie zu halten. Der Empfehlung lag aus Sicht des Profis ein fairer Kurs von nur noch 42 Euro zu Grunde. Wenig Hoffnung also, den erlittenen Kursverlust auf absehbare Zeit wieder aufzuholen. Autsch.

Seither hat sich an der Halten-Empfehlung im Grunde nichts verändert. Lediglich der faire Wert wurde in zwei weiteren Updates marginal an den jeweils aktuellen Kurs angepasst. Es wirkt beinahe so, als sei die Orientierung abhandengekommen.

Zukünftige Entwicklungen bestimmen den heutigen Unternehmenswert. Aber die Zukunft kommt eben (fast) immer anders, als man denkt. Das ist das Dilemma an der Börse.

Bankenresearch hat ein Problem

Analysten in Banken kämpfen tagtäglich hinter den Kulissen mit der Herausforderung, die künftige Entwicklung eines Unternehmens auf den Punkt prognostizieren zu müssen. Wohl wissend, dass ihnen das nicht immer gelingen kann.

Die einfachste Lösung besteht für viele oftmals darin, sich vom Unternehmen „guiden“ zu lassen. Der Begriff ist eingedeutscht und lehnt sich an das englische Wort guidance / to guide an. Unterm Strich ist damit gemeint, sich bei der Aufstellung der eigenen Prognosen vom Unternehmen lenken zu lassen. Oder anders ausgedrückt: man fragt einfach beim Unternehmen ab, welche Zahlen für Umsatz und Ergebnis ins Bewertungsmodell eintragen werden sollen.

Wird die Prognose dadurch besser? Wohl kaum. Natürlich sind Unternehmenslenker in der Regel Experten in der Beurteilung der jeweiligen Branche: sie kennen ihren Markt und ihre Kunden und wissen ganz genau, in welche Richtung sie das Unternehmen entwickeln möchten. Aber die Zukunft kennen auch sie nicht. Würden sich Erwartungen von Unternehmern stets erfüllen, hätten wir eine rosa-rote Welt ohne Prognoseanpassungen, Unternehmenspleiten und Insolvenzen. Das Gegenteil ist der Fall.

„Sich durch das Unternehmen guiden zu lassen“, sichert insofern primär den Analysten ab. Sein Bewertungsmodell wird dadurch leicht zu einem Spiegelbild der Unternehmensprognose. Und wenn letztere nicht eingehalten wird, liegt der schwarze Peter beim Unternehmen. Der Analyst hingegen hat – formal – nichts falsch gemacht.

Eine Aktie, deren fundamentaler Wert sich halbiert, ist aber sehr wohl ein Problem! Sogar ein sehr großes – zumindest für all jene, die für Investitionsentscheidungen mit realem Kapital verantwortlich sind.

Insofern besteht eine Diskrepanz zwischen der (oftmals) anzutreffenden Haltung von Bankanalysten und den Anforderungen, die sich aus dem Portfoliomanagement heraus ergeben. Das ist der Grund, warum wir bei Paladin jede Investmententscheidung für den Paladin ONE ausschließlich auf Grundlage eigener Analysen treffen.

Unternehmensbewertung bleibt der Schlüssel zum Erfolg – aber ohne Kursziel-Dogma!

Ist die Unternehmensbewertung vor dem Hintergrund von Unwägbarkeiten deshalb sinnlos? Auf keinen Fall! Andernfalls würden wir bei Paladin wohl kaum enorme Ressourcen in eben jene fundamentale Analyse von Unternehmen investieren. Und nicht umsonst haben wir viel Energie darauf verwendet, unser Bewertungstool über die letzten Jahre sukzessive weiterzuentwickeln.

Jede Analyse in unserem Haus beginnt mit einer tiefgehenden Betrachtung der historischen Unternehmensentwicklung. Hierzu nehmen wir das Zahlenwerk auseinander und prüfen qualitative Faktoren auf Basis der verfügbaren Unternehmenspublikationen. Dadurch entsteht zum einen ein detailliertes Bild der Arithmetik des Geschäftsmodells, zum anderen identifizieren wir Determinanten einer positiven Unternehmensentwicklung und stellen nebenbei heraus, welchen Risiken das Unternehmen ausgesetzt ist.

Die Analyse der Vergangenheit ist die Grundlage für eine Prognose der zukünftigen Entwicklung. Diese führt wiederum zum Unternehmenswert. Zur Anwendung kommen dabei gleich zwei Bewertungsverfahren – ein Discounted Cashflow-Verfahren und ein Economic Value Added-Verfahren. Auf Details verzichten wir an dieser Stelle. Nur so viel: an der Universität wird gelehrt, dass alle Verfahren grundsätzlich zum selben Ergebnis führen. Insofern ist es für uns ein wichtiger Kontrollmechanismus, wenn dies im Rahmen unserer Analyse nicht zutreffen sollte. Denn dann besteht das Risiko, dass unser Zahlenmodell Inkonsistenzen aufweist, denen wir auf den Grund gehen müssen.

Im Ergebnis entsteht ein plausibles Bild der künftigen Unternehmensentwicklung und eine Indikation für die Wertentwicklung der Aktie. Das ermittelte Kursziel wird von uns jedoch nicht dogmatisch in Stein gemeißelt. Unser Anspruch besteht nicht darin, den einen, vermeintlich objektiven, richtigen Unternehmenswert möglichst genau und auf den Punkt zu berechnen. So plausibel unsere Prognose auch sein mag, es wird immer sowohl allgemeine als auch unternehmensspezifische Faktoren geben, die dazu führen können, dass die tatsächliche Unternehmensentwicklung besser oder weniger gut ausfallen.

Genau deshalb ist eine Szenario-Betrachtung von so elementarer Bedeutung. Dabei untersuchen wir, wie stark sich der von uns ermittelte Unternehmenswert in unterschiedlichsten Szenarien verschiebt. Besondere Relevanz hat insbesondere der Blick nach unten: wie groß ist das etwaige Kursrisiko, wenn etwas schiefläuft?

All das findet Eingang in die schriftliche Investmententscheidung, die häufig einen Umfang von mehr als 30 Seiten hat. Die Verschriftlichung hat dabei einen handfesten Nutzen. Das Beschreiben eines Investments im Fließtext setzt voraus, die zugrundeliegenden Sachverhalte tief durchdrungen zu haben. Gleichzeitig dient das finale Dokument nach dem Kauf einer Beteiligung einem effizienten Beteiligungscontrolling. Denn auf Basis des vorliegenden Dokuments kann im Zeitverlauf jederzeit gespiegelt werden, ob der ursprüngliche Investment Case noch intakt ist.

Was ein Explorationsunternehmen mit einem intelligenten Investment verbindet

Wir führen eine tiefgehende Analyse durch, ermitteln einen Unternehmenswert und validieren diesen über eine Szenario-Betrachtung. So weit, so gut. Aber was genau macht für uns am Ende ein intelligentes und damit attraktives Investment aus?

Um diese Frage zu beantworten, machen wir einen kleinen Exkurs und schauen uns gemeinsam die Entwicklung eines (erfolgreichen) Explorationsunternehmens an. Explorationsunternehmen sind Gesellschaften, die nach Rohstoffen wie Gold, Öl oder anderen Bodenschätzen suchen. Vermutlich schlägt der ein oder andere nun die Hände über dem Kopf zusammen. Hoppla, warum spricht Paladin jetzt plötzlich von Explorationsunternehmen? Keine Sorge, unsere Aussage ist nicht (!), dass Explorationsunternehmen per se ein intelligentes Investment sind. Aber sie bringen uns auf die richtige Spur…

Folgende Grafik zeigt den idealtypischen Kursverlauf eines Explorationsunternehmens vom ersten Rohstoff-Fund bis hin zur Förderung:

Phase I: Das Unternehmen identifiziert Rohstoffvorkommen. Der Börsenkurs steigt innerhalb kurzer Zeit stark an. Die Kursentwicklung wird durch eine Veränderung der Wahrnehmung der Marktteilnehmer getrieben. Gehörte das Unternehmen bislang zur großen Gruppe der Explorationsunternehmen, bei denen vollkommen unklar war, ob sie jemals etwas Brauchbares im Boden finden; mit Bekanntgabe eines identifizierten Rohstoffvorkommens setzt sich das Unternehmen nun aus der Menge der vermeintlich aussichtslosen Goldgräber ab. Wir bezeichnen das als die Phase einer veränderten Wahrnehmung – hierzu im Textverlauf mehr.

Phase II: Auf die Euphorie der ersten Phase folgt häufig eine gewisse Ernüchterung. Machbarkeitsstudien werden erstellt, die Förderung der Rohstoffe wird hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Rahmendaten geprüft und eine Produktion muss aufgebaut werden. Wir bezeichnen dies als die Umsetzungsphase. Sie dauert länger als die Wahrnehmungsphase und ist selbst bei positiven fundamentalen Verläufen nicht selten durch einen seitwärts laufenden (ggf. auch leicht fallenden) Aktienkurs geprägt. Ist die Umsetzung erfolgreich, übersteigt die Aktie in der Regel das Kursniveau, das zum Ende der Phase I kurzzeitig erreicht wurde.

Wahrnehmungsphase und Umsetzungsphase – für Explorationsunternehmen erscheint das einleuchtend. Aber auch andere Unternehmen am Kapitalmarkt durchlaufen genau dieselben Phasen. Macht man sich das bewusst, ergibt sich daraus ein sinnvolles Raster zur Klassifizierung von Investments.

Die Wahrnehmungsphase. Oder: was ist die Erwartung für die Veränderung der Wahrnehmung der anderen?

Es ist natürlich wenig zielführend, einfach in jene Unternehmen zu investieren, deren Wahrnehmung am Kapitalmarkt aktuell negativ ist. Denn in der überwiegenden Anzahl der Fälle erscheint eine negative Wahrnehmung plausibel begründet.

Entscheidend ist vielmehr, aus dem Zahlenwerk heraus Fakten zu identifizieren, die die Wahrnehmung des Unternehmens in positiver Hinsicht verändern (können). Die Herausforderung besteht insofern darin, eine klare Antwort auf die Frage zu haben: was ist unsere Erwartung für die Veränderung der Wahrnehmung der anderen?

Wir sprechen hier nicht über das, was gemeinhin als Trigger bezeichnet wird. Ein Trigger ist im Börsianer-Sprachgebrauch ein Auslöser, der zu einer Höherbewertung führt – oft Synonym für „Wenn-Dann-Investments“. Setzen wir auf einen Trigger mit einer für uns letztlich kaum besser greifbaren Eintrittswahrscheinlichkeit, treiben wir bestenfalls mit den anderen Investoren in dieselbe Richtung. Stattdessen brauchen wir greifbare Fakten, aus denen wir eine wahrscheinliche Veränderung der Wahrnehmung der anderen Marktteilnehmer ableiten können.

Das Muster ist insofern immer dasselbe, die Ausprägung der Investments in der Praxis allerdings von Fall zu Fall immer ein bisschen anders gelagert. Hier einige Beispiele aus der Portfoliohistorie des Fonds Paladin ONE:

All diese Investments weisen eine Gemeinsamkeit auf: einen Aspekt, bei dem wir auf Basis objektivierter Fakten eine klare Meinung entwickeln konnten, warum sich die Wahrnehmung der Gesellschaft durch andere Investoren verbessern sollte. Wir hatten jeweils eine prägnante Antwort auf die Frage: warum jetzt? DAS sind die klassischen und oftmals zitierten Fehlpreisungen an der Börse.

Das Resultat: hohe Wertsteigerung in überschaubaren Zeit und geringes Risiko aufgrund der greifbaren Faktoren für eine Höherbewertung

Investieren während der Umsetzungsphase: nur bei sicher beherrschbaren Umsetzungsrisiken

Die positive Entwicklung der Börsenbewertung ist nicht immer allein auf eine sich verändernde Wahrnehmung zurückzuführen. Manchmal schlicht auch deshalb, weil sich das Unternehmen sukzessive erfolgreich weiterentwickelt – indem es kontinuierlich Wert generiert.

In eine erfolgreiche Umsetzung zu investieren, ist bei vielen Unternehmen ungleich schwieriger als in eine sich abzeichnende Veränderung der Wahrnehmung anderer. Denn jedes Unternehmen ist mit seinem operativen Geschäft Risiken ausgesetzt. Die relevanten Risiken unterscheiden sich dabei von Unternehmen zu Unternehmen erheblich. Es gibt Risiken, die durch gutes Management halbwegs beherrschbar erscheinen (nicht zuletzt ein Grund, ein starkes Augenmerk auf die Qualität des Vorstands zu legen). Hierzu können beispielsweise Personal-, Produkt- oder Kundenrisiken gehören.

Brisant wird es da, wo sich ein fühlbares Verlustrisiko durch Faktoren ergibt, die das Unternehmen nicht selbst beeinflussen kann. Typische Beispiele sind konjunkturelle Risiken, Zins- oder Währungsrisiken – oder eben Verschiebungen auf der Seite von Angebot und Nachfrage in den Produktmärkten des Unternehmens.

Um bei unserem konkreten Beispiel zu bleiben, schauen wir gemeinsam nochmals auf Covestro. Zugegeben: auch wir hätten uns einen Covestro-Kurs von 110 Euro (oder mehr) vorstellen können. Wir haben jedoch – trotz (oder gerade wegen) einer fertigen internen Analyse – die Finger von der Aktie gelassen. Denn in einem von uns simulierten negativen Szenario wurde schnell das erhebliche Verlustrisiko transparent.

Unsere fundamentale Analyse verfolgt ein klares Ziel: die Ermittlung eines belastbaren Unternehmenswerts bei gleichzeitiger Betrachtung der Bandbreite möglicher Ergebnisse, die bei einer abweichenden Unternehmensentwicklung eintreten können.

Aufgrund dieses Vorgehens behalten wir Chancen und Risiken gleichermaßen im Blick. Die Attraktivität eines Investments hängt demzufolge ganz maßgeblich von einem etwaig vorhandenen Verlustrisiko ab.

Ist die Covestro-Aktie in einem stabilen Konjunkturumfeld 100 Euro wert, bei einer ausgeprägten Delle allerdings nur 50 Euro, ist der damalige Börsenkurs von 80 Euro möglicherweise sogar sehr effizient gewesen. Denn letztlich bedeutet dies, dass im Börsenkurs mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 60% das positive und mit 40% das negative Szenario eingepreist wurde.

Was aber, wenn der Covestro-Kurs tatsächlich über 100 Euro gestiegen wäre? Dann hätte man sich für diesen schönen Gewinn stolz auf die Schulter klopfen können. Aber wäre der Gewinn wirklich das Resultat einer Analyse? Oder möglicherweise einfach nur Glück, weil zufällig das positive Ereignis eingetreten ist.

Es ist ersichtlich, dass man sich hier schnell auf sehr dünnem Eis bewegt und genau das will man als Investor ja tunlichst vermeiden.

Konsequent zu Ende gedacht, ergibt sich daraus: ein Investment ist in der Umsetzungsphase nur dann attraktiv, wenn die Umsetzungsrisiken beherrschbar sind.

Die relevanten Risiken – und jedes Unternehmen ist mit spezifischen Risiken konfrontiert – müssen im nächsten Schritt über das Portfolio diversifiziert werden. Stichwort: Vermeidung von Risikokumulation. Aber auch dieser Aspekt ist einen eigenen Beitrag wert.

Unter unseren aktuell großen Portfoliopositionen befinden sich derzeit insbesondere Fjord1 und die Deutsche Konsum REIT AG in der Umsetzungsphase. Über die Deutsche Konsum REIT und den Mechanismus der Renditearbitrage haben wir im letzten Investorenbrief ausführlich berichtet. Die Unternehmen in der Umsetzungsphase müssen – wie es gemeinhin heißt – „liefern“, damit höhere Kurse bezahlt werden. Angesichts der überschaubaren Umsetzungsrisiken ist ein „nicht-liefern“ aus unserer Sicht allerdings unwahrscheinlich.

Was ist Value?

Zugegeben, die letzten Absätze waren keine leichte Kost. Deshalb die wichtigsten Aussagen nochmals in komprimierter Form:

Der vermeintlich einzig richtige Unternehmenswert lässt sich ex-ante nicht errechnen. Er ist von zukünftigen Entwicklungen abhängig. Und die kennen wir heute noch nicht. Unternehmensbewertung ist dennoch der Schlüssel zum Erfolg. Allerdings ohne einen dogmatischen Fokus auf das präzise Ergebnis, das sich lediglich in einer einzigen Zahl ausdrückt. Ein Denken in Szenarien schützt stattdessen vor Verlusten.

Ohne einen in Stein gemeißelten, auf den Punkt genau definierten Unternehmenswert wirkt das eingangs skizzierte klassische Value-Investing-Modell schnell hinfällig, denn dann verliert auch die Höhe der Sicherheitsmarge zunehmend an Relevanz.

Value – also echter Mehrwert, entsteht wie von uns ausführlich dargelegt aus zwei Konstellationen:

  • Es sind klare Faktoren greifbar, die zu einer Höherbewertung führen sollten, weil sie die Wahrnehmung der anderen Investoren in positiver Weise verändern. Schon heute ist eine höhere Bewertung zu rechtfertigen; es handelt sich somit um eine echte Fehlpreisung. Und eine solche löst sich häufig innerhalb kurzer Zeit mit einer fühlbaren Kursbewegung auf.
  • Das Unternehmen generiert aus seinem Geschäftsmodell heraus einen kontinuierlich steigenden Unternehmenswert. Attraktiv ist das dann, wenn die operativen Umsetzungsrisiken beherrschbar sind.