Omaha 2019 | Berkshire Hathaway wird modern!

über Warren Buffett, Charlie Munger und ihre Investmentansätze habe ich viel gelesen. Ihre jährlich stattfindende Investorenkonferenz habe ich mittlerweile sechs Mal besucht. Viele Leser kennen das Prinzip des abnehmenden Grenznutzens: schwer zu glauben, dass eine erneute Reise wirklich frische Erkenntnisse bringen sollte. Warum war ich in diesem Jahr trotzdem wieder dort?

Jedes Jahr besuchen mehr als 40.000 Menschen aus aller Welt die Hauptversammlung von Berkshire Hathaway. Das entspricht etwa 10% der Bevölkerung von Omaha („Greater Omaha“ verzeichnet während der Tage rund um das Event mehr als 15.000 gebuchte Hotelzimmer). Das schöne daran: es sind quasi ALLE Value Investoren an einem Ort versammelt.

Das gilt auch für eine Gruppe von mehr als 60 deutschsprachigen Investoren, die sich Jahr für Jahr bereits vor der eigentlichen Hauptversammlung in einem Hotel treffen, um Investmentideen auszutauschen. Dabei gleicht der Meetingraum einer Sardinenbüchse, da die Anzahl der Teilnehmer die zur Verfügung stehenden Quadratmeter deutlich übersteigt.

Die Wahl des Treffpunkts ist für echte Fans alternativlos – schließlich ist es das Hotel in dem auch Charlie Munger nächtigt. Und: in diesem Hotel ist es der einzige Konferenzraum mit Tageslicht und Blick auf den Innenhof. Das Treffen startet mit deutscher Pünktlichkeit bereits um 7:00 Uhr morgens. Wer nicht überpünktlich aufschlägt, wird naturgemäß mit einem unvorteilhaften Sitzplatz für die folgenden 2x 12 Stunden „belohnt“.

Mit reichlich Jetlag in den Knochen beginnt mein Tag vor Ort mit Sport. Das nächstgelegene vernünftige Fitnessstudio ist ca. 2 Kilometer entfernt, welches ich in der Regel gegen 4 Uhr morgens ansteuere. Fußwege gibt es keine, dafür sensationell breite Straßen, die um diese Tageszeit gähnend leer sind.

Pünktlich um sieben Uhr beginnt dann der erste Vortrag. Präsentiert werden spannende Investmentideen zu Unternehmen jeder Größenordnung aus aller Welt. Jeder Teilnehmer hat seinen eigenen Kompetenzbereich, aus dem er etwas mitgebracht hat, um den Horizont der Anderen zu erweitern oder sie für die eigene Investmentidee zu gewinnen. Ich stellte in diesem Jahr unser Investment in Fjord1 vor – hier hat sich zuletzt einiges getan.

Nach 5–6 Stunden in der Sardinenbüchse ist es Zeit für eine Stärkung. Über einen riesigen und weitgehend leeren Zusammenschluss von Parkplätzen geht es an das Buffet (nur mit einem „t“ geschrieben) von Wholefoods. Übrigens, das Unternehmen gehört seit neustem zu Amazon. Wholefoods ist eine Wohlfühloase für den ernährungsbewussten Endverbraucher und ein Paradebeispiel dafür, wie schön ein „Reformhaus“ sein kann.

Am Nachmittag werden dann weitere Investmentideen präsentiert, jetzt jedoch von englischsprachigen Investoren. Wir haben in den letzten Jahren schon viele bedeutende Namen der Szene begrüßen dürfen. Die Tradition dieses Treffens (immerhin findet es nun bald 20 Jahre in Folge statt) spricht sich offenbar herum und scheint auch in Übersee geschätzt zu werden. Die hochkarätige Besetzung führt zu sehr offenen, ehrlichen und damit hochspannenden Diskussionen und Beiträgen. Zur Belohnung gibt es (neben einem angemessenen Applaus) eine Tafel hochwertiger Schokolade aus Deutschland. Die Teilnahme ist und bleibt auch Herzenssache.

Und damit komme ich zum Höhepunkt der jährlichen Omaha Reise: der Hauptversammlung.

„If you want to go fast, go alone. If you want to go far, go together.”

In diesem Jahr sprachen unter anderem zwei Manager der Berkshire Hathaway auf der Hauptversammlung: Ajit Jain und Greg Abel. Sie sind nicht die einzigen Berkshire-Hathaway-Köpfe, die wir über die Jahre kennengelernt haben. Der Eindruck, der insgesamt bleibt: Warren Buffett und Charlie Munger werden irgendwann einmal (per fließenden Übergang oder notgedrungen plötzlich) ersetzt. Doch die Kultur von Berkshire Hathaway ist so stark, dass der bisherige Pfad unbeirrt weiter beschritten werden wird: egal ob es sich um Mitarbeiter, Investoren oder das allgemeine Umfeld handelt, in dem sich diese Gesellschaft bewegt. Ein starkes Team ist und bleibt auch hier der Schlüssel. Vielleicht bleibt nicht alles gleich. Aber vieles bleibt weiterhin gut.

Value – eine Frage der Betrachtungsweise

Immer mal wieder werden wir gefragt, ob wir uns mit unserer Strategie unverändert wohlfühlen, denn „Value lief ja zuletzt nicht“. Oft genug haben wir betont, „dass uns das KGV nicht interessiert“. Das ist auch so – denn ist ein KGV von 6 nun wirklich günstig, wenn ein Geschäftsmodell gerade dabei ist, vollkommen vor die Hunde zu gehen? Kennzahlen sind tückisch: ist eine Dividendenrendite von 9% grundsätzlich attraktiv, ungeachtet ihrer Fortsetzbarkeit? Ist ein Kurs-Buchwert-Verhältnis ein Zeichen für eine generelle Unterbewertung, egal ob diese „Werte“ im „Buch“ belastbar sind oder vielleicht kontinuierlich durch Wertberichtigungen abschmelzen? Dieser Fokus auf historische Zahlen war vor 90 Jahren sehr lukrativ. Vermutlich sogar noch vor 40 Jahren. Doch steigende Komplexität und Transparenz sorgen dafür, dass diese Faustregeln bei weitem nicht mehr ausreichen. Denken in festen Rastern macht starr und angreifbar. Und was ist schon wirklich Value? Für uns ist es eine Kombination aus Höhe und Greifbarkeit der zukünftigen Cashflows, verglichen mit dem Preis, den wir heute dafür zahlen müssen.

Klar, die Renditen eines Dickschiffes von vielen hunderten Milliarden (wie Berkshire Hathaway es geworden ist) sind nicht mehr die, die zu Beginn möglich waren. Aber Sorgen muss man sich um den Fortbestand vermutlich keine machen, denn auch Berkshire passt sich der Welt an und wird in Teilen modern. Nun zählen auch Apple und Amazon zu den großen Investments der Herren aus Omaha. Und ihre Erklärungen sind und bleiben weiterhin konsistent mit den Weisheiten, nach denen sie ihre Entscheidungen seit vielen Jahrzehnten ausrichten. Ja, für den richtigen Preis und mit der richtigen Betrachtungsweise kann eben auch ein „Technologieunternehmen“ ein Value-Investment sein. Value ist nicht gleich Value.

„Investieren sie auch in Technologieunternehmen?“

Oft werden wir – in dem Versuch uns treffsicher in die dafür vorgefertigten Schubladen einzusortieren – gefragt, welche Sektoren wir bevorzugen. Und noch immer wird „Technologie“ als Sektor angeführt. Dies stammt aber aus einer Zeit, die wir schon lange verlassen haben. Gegenfrage: gibt es noch Unternehmen, die OHNE Technologie ihren Fortbestand sichern können? Mal abgesehen von radikalen Transformationen alteingesessener Geschäftsmodelle: JEDES Unternehmen ist durchzogen von Technologie, jedes zukunftsträchtige Geschäftsmodell wird von Technologie unterstützt. Wir sparen uns das Fortführen dieser Liste, denn sie ist nicht sinnvoll zu Ende zu bringen. Nur so viel: wir fühlen uns sehr wohl damit, nicht zu differenzieren, welches Unternehmen nun ein Technologie-Wert ist und welches nicht. Technologie ist eigentlich einfach nur „Business“. Teil des Tagesgeschäfts. Grundvoraussetzung für eine fortwährende Daseinsberechtigung. Und eben solche Unternehmen und Geschäftsmodelle, deren Fortbestand auch für die Zukunft gesichert ist, deren Cashflows planbar sind und für die wir heute im Verhältnis dazu einen attraktiven Preis vorfinden, werden sich (unabhängig ihres per Stand heute gemessenen Grades an Technologisierung) weiterhin in unserem Portfolio einfinden.

Aber zurück zu meiner Reise nach Omaha: würde ich es wieder tun? Ja, definitiv. Auch wenn es die beiden Herren an der Spitze von Berkshire einmal nicht mehr geben sollte.

Das Hotelzimmer für 2020 ist schon gebucht! 🙂