Paladin Investorenbrief Q1/2019

„In 460 km haben Sie Ihr Reiseziel erreicht.“ Dieser Investorenbrief führt unsere Leser vom Paladin-Firmensitz in Hannover über Essen nach Amsterdam. Die Reisedauer mit dem Auto würde knapp 5 Stunden betragen, aber keine Sorge, der Brief liest sich bedeutend schneller.

Der Grund unserer gedanklichen Reise? Im Ruhrgebiet gibt es ein Update zum Investmentcase von innogy. Und bei einem Abstecher ins benachbarte Holland erfahren Sie, warum der niederländische Kartenspezialist TomTom den Weg ins Portfolio des Paladin ONE gefunden hat.

Doch bevor wir starten, werfen wir noch einen Blick auf die große Weltkarte: nach der Endzeitstimmung an den Märkten im vierten Quartal 2018 hat sich die Lage wieder beruhigt. Die Aussicht auf weiterhin extrem niedrige Zinsen auf beiden Seiten des Atlantiks ist für den Moment neuer Treibstoff für die Börse. In welcher Form sich dieser auf die reale Wirtschaft mit rezessiven Tendenzen (und dies ist vermutlich noch freundlich ausgedrückt) auswirken wird, ist aber noch offen.

Der Paladin ONE ist mit einem Plus von 4% seit Jahresbeginn auf Zielkurs. Das Plus fällt etwas geringer aus als bei den großen Indices, was nicht überrascht: es sind jetzt eben jene Aktien vorn dabei, die 2018 besonders unter die Räder gekommen sind. Unterm Strich freuen sich Investoren des Paladin ONE bereits seit Anfang 2018 über deutlich mehr Stabilität und eine höhere Performance, verglichen mit den großen Indices.

Ziele verlässlich erreichen und dabei Hindernisse gekonnt umfahren: der renommierte Lipper Fund Award gilt als Qualitätssiegel und besondere Würdigung eben solch konstant guter Leistungen im Fondsmanagement. Und genau deshalb ist uns diese Preisverleihung im März ausnahmsweise eine gesonderte Erwähnung wert. Der Paladin ONE wurde von Lipper als bester Fonds in der Kategorie „Equity Europe“ ausgezeichnet und setzte sich dabei gegen 315 Wettbewerber durch.

Das Greiff Research Institute aus Freiburg schreibt in seiner aktuellen Ausgabe von „Der Fonds Analyst“ über den Paladin ONE als Hidden Champion und kommt zu folgendem Schluss: „Somit wird ersichtlich, dass der PALADIN ONE sowohl in steigenden als auch in fallenden Märkten eine überzeugende Vorstellung abgibt.“

Faktisch ist beides jedoch ein Blick in den Rückspiegel. Entscheidend sind einzig die Performance und Stabilität, die wir in Zukunft erreichen.

Deshalb eine kurze Routenvorschau: Sie erhalten mit diesem Investorenbrief ein Kurzportrait zu gleich zwei Portfoliopositionen: innogy und TomTom.

Wer den Blog auf unserer Website verfolgt, wird sich an das Nachbesserungsszenario erinnern, das wir im derzeit laufenden Übernahmeprozess bei innogy identifiziert haben. Seither ist zum einen der E.ON-Kurs gestiegen, wodurch eine mögliche Nachbesserung an Wert gewinnt. Zum anderen haben wir den Fall in den letzten Wochen nochmals ausführlich im Rahmen einer rechtsanwaltlichen Stellungnahme aufarbeiten lassen. Das Ergebnis ist hochspannend; wir stellen es unseren Investoren gerne zur Verfügung. Mehr dazu im Abschnitt zu innogy.

Eine gute (Investment)-Idee muss auf einen Bierdeckel passen. Zugegeben, dieses Bild stammt nicht von uns. Aber eben dieser „Bierdeckel“ spielt bei TomTom, dem Neuzugang im Portfolio des Paladin ONE, eine gewichtige Rolle.

Mobile Navigation zählt zu den Erfindungen, die unseren Alltag revolutioniert haben und nicht mehr wegzudenken sind (trotz der Sommerloch-Stories über Autos, die auf Vorschlag des Navis fälschlicherweise im Elbeseitenkanal geparkt wurden oder deren Alternativroute auf einem Acker in Südbrandenburg ein jähes Ende fand).

Wie passt nun TomTom in eine von Google(Maps) dominierte Welt? Taucht man in die Details ein, ergibt sich ein differenzierteres Bild. Verstärkt wird es durch eine große Kapitalrückzahlung an die Aktionäre, die die Bewertung nicht nur nach unten absichern dürfte, sondern sich möglicherweise auch als Trigger für eine Höherbewertung erweisen könnte.

Wer möchte an dieser Stelle einen Blick auf den original TomTom-„Bierdeckel“ (genau genommen ist es nur ein Notizblock) werfen? Wir zeigen ihn. Versprochen!

Wie immer gilt: Feedback interessiert uns. Wir freuen uns über alle Rückmeldungen.

Für das Paladin-Team

Matthias-Chr. Kurzrock      Marcel J. Maschmeyer

Anlagestrategie des Paladin ONE

Der Paladin ONE ist ein Aktienfonds, der primär in Aktien aus dem deutschsprachigen Raum investiert (D-A-CH). Eine benchmarkorientierte Denkweise wird bewusst vermieden. Der absolute Vermögenserhalt steht im Vordergrund.

Wir verfolgen zwei Ziele:

  1. eine durchschnittliche Performance von 10% p.a. im langjährigen Durchschnitt
  2. bei einer im Vergleich mit gängigen Aktienindizes deutlich geringeren Volatilität.

Der Fonds investiert ausschließlich auf Basis von eigenem Research in ein konzentriertes Portfolio aus 15 bis 25 Aktien.

Der dem Paladin ONE zugrunde liegende selbst entwickelte, stringente Investmentansatz setzt auf drei Säulen: Value-Aktien, Sondersituationen und Liquidität.

Value-Aktien sind unserer Definition nach unterbewertete Unternehmen mit der Fähigkeit, nachhaltig positive Zahlungsströme zu generieren (Free Cashflow). Die Auswahl geeigneter Unternehmen erfordert im ersten Schritt die Analyse großer Datenmengen. Hierbei profitieren wir von einer großen und sukzessive weiter wachsenden Wissensdatenbank. Die Analyse potentieller Zielunternehmen erfolgt mit unserem selbst entwickelten Analysetool. Hinzu kommen Gespräche mit dem Management der Zielunternehmen. Jede Investmententscheidung wird im Rahmen eines internen Dokuments ausführlich verschriftlicht.

Sondersituationen (sogenannte Special Situations) bilden die zweite Säule unseres
Anlagekonzeptes. Durch die Investition in Sondersituationen gewinnt das Portfolio deutlich an Planbarkeit und Stabilität. Um diese Situationen richtig zu erkennen, zu bewerten und treffsicher zu nutzen, bedarf es langjähriger Erfahrung und sehr spezieller juristischer Kenntnisse. Das Paladin-Team verfügt über den wertvollen Erfahrungsschatz von mehr als 150 analysierten Sondersituationen.

Eine stark atmende Liquidität ist die dritte Säule unserer wertorientierten Anlagestrategie. Diese sichert in Phasen von verstärkten Kursbewegungen die Wertentwicklung des Fonds gegen zu starke Kursschwankungen ab und dient gleichzeitig als trockenes Pulver für neue Opportunitäten.

Wertentwicklung des Paladin ONE


(Alle Berechnungen auf Basis der Bewertung vom 29. März 2019)

Das Resultat lässt sich am besten in folgendem Chart ablesen. Hier ist gut zu erkennen, dass sich der Fonds – insbesondere in schwachen Marktphasen – deutlich stabiler entwickelt hat als der CDAX.


Paladin ONE seit Öffnung (17.11.2014) vs. CDAX (relativ)

Das Portfolio des Paladin ONE zum 29.03.2019 

Ganz oben auf der Wunschliste unserer Investoren steht regelmäßig ein umfassender Einblick in das Portfolio des Paladin ONE. Um größtmögliche Transparenz zu gewährleisten, haben wir das Factsheet unseres Fonds komplett überarbeitet. Interessenten und Investoren finden hier tagesaktuell folgende Informationen zum Paladin ONE:

  • Performance und Kennzahlen
  • aktuelle und historische Gewichtung der drei Säulen Value-Aktien, Sondersituationenund Liquidität im Zeitverlauf
  • Top 10 Positionen, Übersicht Länderallokation und Gewichtung des Portfolios nach Marktkapitalisierung

innogy: Nachbesserungsmechanismus durch externe Anwälte explizit bestätigt

Innogy ist mit rund 10% Gewichtung schon seit Mitte letzten Jahres unsere größte Portfolioposition. Das Unternehmen befindet sich aktuell noch immer im Verkaufsprozess: E.ON plant, rund 76% an innogy von RWE zu übernehmen, und hat im Zuge dessen den innogy-Streubesitzaktionären ein öffentliches Übernahmeangebot unterbreitet. Wir haben uns in sogenannten „zum Verkauf eingereichten“ innogy-Aktien engagiert. Das sind die Aktien, für die das E.ON-Übernahmeangebot angenommen wurde.

Zur Vorgeschichte – unser Basisszenario

Unsere Beweggründe für das Investment haben wir bereits ausführlich im Rahmen eines Blog-Beitrags Mitte letzten Jahres erläutert. Zusammengefasst verhält es sich wie folgt:

Wir haben die innogy-Aktien für durchschnittlich 36,51 Euro erworben. Inklusive der innogy-Dividende, die wir vor Abwicklung des Übernahmeangebots noch vereinnahmen werden, stehen uns 38,40 Euro pro Aktie in Aussicht, die wir bei Abschluss der Transaktion erhalten werden. Zum Zeitpunkt unseres Einstiegs waren das auf Sicht eines Jahres rund 5% Rendite.

Der Abschluss der Transaktion ist noch von kartellrechtlichen Genehmigungen abhängig. Hier ist insbesondere die Genehmigung durch die EU-Kommission offen. Diese hat kürzlich eine erweiterte Prüfung der Transaktion in einer zweiten Phase angekündigt; angesichts der Größe wenig überraschend.

Die Anwälte und Verantwortlichen bei E.ON schwitzen gerade in diesen Tagen besonders, weil sie angesichts der Masse an Informationen, die die EU-Kommission angefragt hat, in Verzug gekommen sind. Es sei dem Unternehmen nicht möglich gewesen, detaillierte und umfangreiche Datensätze innerhalb der gesetzten Frist zu liefern, so das Handelsblatt. Die EU-Kommission hat das Verfahren deswegen kurzzeitig unterbrochen. Aber auch dieser „Stop-The-Clock“ (kurz: STC) ist bei derart komplexen Transaktionen völlig normal und im Rahmen der Erwartungen.

Das Handelsblatt berichtet aber auch, dass E.ON dennoch davon ausgeht, den Zeitplan für die Übernahme einzuhalten. Es ist wahrscheinlich, dass E.ON unterwegs noch Bedingungen der EU-Kommission wird erfüllen müssen, um letztlich die Genehmigung zu erhalten. Gleichzeitig betrachten wir das Risiko, dass die Transaktion an einem Veto aus Brüssel scheitern könnte, für gering. Dies bestätigt auch eine uns vorliegende 40-seitige Ausarbeitung, die die kartellrechtlichen Risiken beleuchtet.

Ein Sahnehäubchen obendrauf?!

Die Rendite aus unserem Basisszenario könnte sich spürbar erhöhen, wenn ein von uns identifizierter Nachbesserungsmechanismus greifen würde. Nach unserer rechtlichen Würdigung der Transaktion ergibt sich nämlich eine Nachbesserung des Übernahmepreises, wenn der Aktienkurs von E.ON zum Zeitpunkt der Abwicklung der Transaktion über 8,84 Euro (inklusive E.ON-Dividende, nach Auszahlung dieser: 8,41 Euro) notiert.

Folgende Grafik zeigt, wie sich der Nachbesserungsmechanismus in Abhängigkeit vom E.ON-Kurs in einem erhöhten Übernahmepreis für die innogy-Aktien niederschlagen sollte. Wichtig: die Betrachtung berücksichtigt die noch ausstehende Dividendenzahlung von innogy, die nach der Hauptversammlung vom 30. April 2019 fällig ist. Nach der Dividendenzahlung reduzieren sich die für die innogy-Aktie ermittelten Werte in der nachstehenden Grafik um jeweils 1,40 Euro.

E.ON notiert aktuell bei rund 10 Euro. Greift die Nachbesserung, würde sich hieraus ein Wert von 43,23 Euro pro innogy-Aktie ergeben (inklusive 1,40 Euro Dividende).

Das ist deutlich mehr als die derzeit noch im Raum stehende Gegenleistung von 38,40 Euro (inklusive Dividende). Bei unserem derzeitigen Bestand von rund 350.000 innogy-Aktien im Paladin ONE errechnet sich ein potentieller Nachbesserungsbetrag von knapp 1,7 Mio. Euro.

Sicherlich wird sich die E.ON-Aktie bis zum Abschluss der Transaktion noch bewegen. Möglicherweise reduziert sich der heute sichtbare Nachzahlungsbetrag dadurch wieder; vielleicht erhöht er sich aber auch.

Wir haben die letzten Wochen auf jeden Fall nicht tatenlos zugesehen, sondern die Zeit genutzt, um unsere Position nochmals zu überprüfen. Denn eines muss auch gesagt werden: Dass dieser Nachbesserungsmechanismus wie von uns erwartet funktioniert, steht zumindest noch nicht in einem offiziellen Dokument (woran E.ON natürlich auch wenig Interesse hätte).

Aus diesem Grund haben wir die Rechtsanwaltskanzlei Paul Hastings beauftragt, unsere Annahmen nochmals auf Herz und Nieren zu prüfen. Im Zentrum stand dabei die Fragestellung: besteht für E.ON eine Verpflichtung, das Übernahmeangebot nachzubessern, wenn der E.ON-Kurs ein bestimmtes Kursniveau überschreitet?

Hierfür hat Hastings die Transaktionsstruktur der Übernahme in Hinblick auf folgende Fragestellungen analysiert:

Schritt 1) – Was ergibt sich aus den Regelungen im Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz?
Schritt 2) – Was besagt die relevante Literatur zu diesem bzw. vergleichbaren Sachverhalten?
Schritt 3) – Nach einer Recherche mit Blick auf ähnlich gelagerte Fälle, die es in der Vergangenheit bereits gegeben hat – wie hat die BaFin in diesen Fällen entschieden?

Wir waren auf die Ausarbeitung von Hastings sehr gespannt. Bis zur endgültigen schriftlichen Stellungnahme mussten wir allerdings knapp vier Wochen warten. Und das Ergebnis bestätigt nachdrücklich unsere Annahmen: Hastings skizziert genau das Nachbesserungsszenario, das wir bereits im vergangenen Jahr beschrieben haben.

Unseren Investoren stellen wir das Schriftstück gerne zur Verfügung! Melden Sie sich einfach unter paladin.one@paladin-am.com. Wir freuen uns, das Dokument mit Ihnen zu teilen und zu diskutieren!

Rechtlich stehen wir damit auf ziemlich dickem Eis. Wie groß das Sahnehäubchen letztlich ausfällt, hängt – wie beschrieben – am E.ON-Kurs. Bis es soweit ist, sind unsere Investoren damit zumindest auf dem Weg nach oben auch E.ON-Aktionäre. Deshalb lohnt sich in den kommenden Monaten immer mal wieder auch ein kleiner Seitenblick auf die Entwicklung der E.ON-Aktie.

TomTom? Besser Google! Oder etwa doch nicht?

Wozu braucht man heute noch TomTom, wenn es doch Google gibt? Diese Frage ist ebenso naheliegend wie berechtigt. Und jedem, der bereits Google Maps nutzt, dürften im Zweifel wenige Argumente für TomTom einfallen – zumindest auf den ersten Blick. Insofern wollen wir an dieser Stelle auch nicht unter den Tisch kehren, dass TomTom in einem beinharten Wettbewerb steht.

Das Unternehmen bietet – etwas vereinfacht ausgedrückt – digitale Straßenkarten, Navigationssoftware und Verkehrsinformationen an. In der Vergangenheit geschah dies im Wesentlichen über kleine Geräte, die per Saugnapf an der Frontscheibe des Autos befestigt wurden. Aufgrund der weiten Verbreitung von Smartphones und Google Maps ist ein separates Gerät heute zunehmend überflüssig. Und damit hat das frühere Kernprodukt von TomTom ganz sicher seinen Zenit überschritten.

Auch das TomTom-Zahlenwerk strotzt nicht unbedingt vor Dynamik, zumindest aus der Vogelperspektive betrachtet. Der Umsatz von rund 1 Mrd. Euro im Jahr 2015 ist seitdem rückläufig auf zuletzt 686 Mio. Euro im Jahr 2018. Gleichzeitig hat das Unternehmen im selben Zeitraum praktisch keinen Jahresüberschuss erzielt. Gewinner sehen (vermeintlich) anders aus, oder?

Die ersten Teile des Puzzles

Wir werden immer wieder gefragt, wie all jene Investmentideen entstehen, die es in unser Portfolio schaffen. Der Weg von TomTom soll hier einmal im Detail skizziert werden.

Der im Januar gemeldete Verkauf des Telematics-Bereichs war das initiale Puzzleteil und Grund für uns, bei TomTom genauer hinzuschauen. Denn der Bereich wurde für 910 Mio. Euro verkauft, was immerhin rund der Hälfte der Börsenbewertung entsprach.

Die Liquidität, die TomTom hierdurch zufließt, verschiebt die Unternehmensbewertung gravierend im positiven Sinne. Der Börsenkurs bewegte sich seit Ankündigung per Saldo kein Stück. Der Marktwert des verbleibenden Geschäfts hat sich jedoch zwischenzeitlich deutlich reduziert. Die Bewertungsrelationen haben sich signifikant verschoben – und das hat unser Interesse geweckt.

Nach kurzer Recherche folgte eine auf den ersten Blick nicht ganz ernst gemeinte Quiz-Mail an unser Team:

Wer hätte es gewusst? Binnen 5 Minuten kam die richtige Antwort von einem unserer Analysten aus dem Maschinenraum: TomTom. Damit lagen die Puzzleteile auf dem Tisch.

TomTom: die Fakten

Bereits früh im Analyseprozess wurde deutlich, dass TomTom einen spannenden Transformationsprozess vollzogen hat. Bis vor einigen Jahren veräußerte das Unternehmen primär Hardware mit fest installierter Software. Heute verkauft das Unternehmen Daten und Software aus der Cloud, während die Hardware überwiegend von anderer Stelle kommt. Von außen noch schwer wahrnehmbar, entwickeln sich hierdurch gerade eine Säule stark skalierbarer, wiederkehrender Umsatzerlöse.

Gleichzeitig identifizierten wir im Zuge unserer Analyse eine Marktkonstellation, in der TomTom eine echte Daseinsberechtigung hätte, Google hin oder her. Denn gerade die Unabhängigkeit von Google und den großen deutschen Automobilherstellern BMW, Daimler und Audi, denen der Konkurrent HERE gehört, dürfte für den einen oder anderen TomTom-Kunden einen Mehrwert darstellen.

So komplex die nachfolgenden Überlegungen auch anmuten mögen; eine erste Idee war geboren und schnell auf besagtem Notizzettel notiert:

Die kurzfristige Ausschüttung eines stattlichen Betrags aus der neu gewonnenen Überschussliquidität kann aus unserer Sicht zudem ein Trigger für eine mögliche Höherbewertung der Aktie sein – und perspektivisch halten wir sogar eine Übernahme des Unternehmens für nicht ausgeschlossen. Hierzu im Folgenden mehr.

Es wird schnell klar, dass dieser Investment Case deutlich vielschichtiger ist, als zunächst angenommen. Aber der Reihe nach.

Hinter der nächsten Kurve haben Sie Ihr Ziel erreicht. Bald auch ohne Fahrer.

Digitale Karten sind die Grundlage dafür, dass intelligente Software den schnellsten, günstigsten oder kürzesten Weg zum Ziel ermitteln kann. In diesem Bereich ist TomTom seit Anfang der 19990er Jahre aktiv und verfügt über Kartenmaterial für rund 62 Mio.(!) Straßenkilometer auf der ganzen Welt.

Die Entwicklung ist hiermit allerdings sowohl aus Markt-, als auch Unternehmensperspektive noch lange nicht abgeschlossen – das Gegenteil ist der Fall. Durch immer umfangreicheres Datenmaterial rund um die Straßen- und Verkehrsführung ergeben sich zunehmend neue Anwendungen.

Eine relativ simple Anwendung stellt dabei noch die Verarbeitung von Verkehrsinformationen dar. Jeder kennt die Routenänderung, die ein Navigationsgerät vornimmt, wenn sich auf der aktuellen Streckenführung ein Stau bildet. Den Stau erkennen, wenn er da ist, ist das eine. Deutlich intelligenter wäre es, auf Basis des Verkehrsaufkommens zu erkennen, dass sich innerhalb der nächsten halben Stunde ein Stau bilden könnte. Wer jemals auf der vom Navi empfohlenen Stauumgehung im Stau stand, wird dies bestätigen.

Die möglichen Anwendungen gehen aber noch viel weiter. Sind beispielsweise die genaue Biegungen von Kurven oder die individuelle Neigung der Straße bekannt, kann dies in stabilisierenden Fahrerassistenzsystemen sinnvoll genutzt werden. Das wird eines Tages – zusammen mit weiteren zunehmend verfügbaren Informationen – die Grundlage für autonomes Fahren darstellen. Die heutigen Karten (SD Maps) allein sind hierfür nicht mehr ausreichend. Vielmehr braucht es hochauflösende Karten (HD Maps), bei denen all diese zusätzlichen Attribute hinterlegt sind. Die Fahrtrichtung allein reicht als Information nicht mehr aus. Genau aus diesem Grund arbeitet TomTom am Aufbau einer HD-Kartenwelt. Bis heute hat das Unternehmen rund 0,4 Mio. Straßenkilometer in HD erfasst.

Mit diesen Anwendungsgebieten vor Augen wird allerdings schnell klar, dass digitale Karten künftig weitaus mehr sein werden als eine nette Sonderausstattung für Fahrzeuge der mittleren oder gehobenen Klasse. Sie werden vielmehr für jeden Spieler im Bereich des teilweise oder vollständig autonomen Fahrens einen hohen strategischen Wert haben.

Doppelte Transformation: weg von B2C und Hardware. Hin zu B2B und Daten aus der Cloud

Das klassische Navi mit Saugnapf stirbt aus. Zum einen gehören festverbaute Navigationsgeräte bei vielen Fahrzeugen mittlerweile praktisch zur Standardausstattung. Zum anderen kann heute (fast) jeder mit Google Maps über das Smartphone navigieren.

TomTom hat auf diese Entwicklung reagiert. Schon vor vielen Jahren hat die Gesellschaft den Fokus zunehmend verlagert. Weg vom Endkunden und hin zu Automobilherstellern und ihren Zulieferern. TomTom-Navigationsgeräte konnten von den Herstellern fest im Fahrzeug integriert werden.

Im Folgenden ging TomTom noch einen Schritt weiter: es war nun nicht mehr das primäre Ziel, die eigenen digitalen Karten und die Navigationssoftware auf eigener Hardware ins Auto zu bekommen. Stattdessen wurden Karten und Software in die Cloud migriert und von dort aus zur Nutzung auf Geräten von Dritten angeboten.

Gleichzeitig wurde die Art und Weise überarbeitet, in der TomTom diese Daten zur Verfügung stellt. Bislang hatten Kunden praktisch Zugriff auf die komplette Datenbank (uncompiled maps database) und mussten diese Option entsprechend teuer bezahlen. Inzwischen besteht die Möglichkeit, über ein API (Application Programming Interface) selektiv Daten zu einem gewünschten Standort abzurufen. Somit zahlt der Nutzer nur die Daten, die er tatsächlich benötigt.

Transformation in Zahlen

Betreten wir jetzt die TomTom-Zahlenwelt und so viel gleich vorweg: diese fordert dem Interessierten einiges ab. Ein eigentlich einfaches Geschäftsmodell übersetzt sich hier mit hoher Komplexität in Zahlen. Geschuldet ist dies den internationalen Bilanzierungsregeln, kurz IFRS.

Beginnen wir mit den Umsatzerlösen. Wir haben eingangs bereits angedeutet, dass diese in den letzten Jahren stark rückläufig waren. Ein nicht unwesentlicher Grund hierfür ist der geplante Verkauf des Segments Telematics, das rückwirkend zum Geschäftsjahr 2016 als „nicht fortgeführt“ bilanziert wird. Hierdurch sind Umsatzerlöse von etwa 160 Mio. Euro aus der Gewinn- und Verlustrechnung verschwunden, was einen Großteil des Umsatzrückgangs erklärt.

Darüber hinaus ist eine erhebliche Verschiebung zwischen den Segmenten zu erkennen. Noch im Geschäftsjahr 2013 hat TomTom im Bereich Consumer mit Endkundengeräten 651 Mio. Euro Umsatz generiert. Dieser Umsatz hat sich bis 2018 glatt halbiert.

Im selben Zeitraum haben sich die Umsätze im Bereich Automotive mehr als verdoppelt – und eigentlich sieht es sogar noch besser aus. Denn durch die IFRS-Bilanzierungsvorgaben wird das Bild an dieser Stelle etwas diffus. Die Verschiebung weg vom Hardware- hin zum reinen Software-Verkauf hat dazu geführt, dass zum Zeitpunkt des Verkaufs nur ein kleiner Teil des generierten Mittelzuflusses als Umsatz deklariert wurde.

Auch wenn jeder Vertrag im Detail anders aussieht, ist folgender Sachverhalt laut TomTom eine probate Daumenregel: zum Zeitpunkt der Auslieferung des Fahrzeugs erhält TomTom den gesamten (!) vereinbarten Betrag für die Lieferung der Daten. Hiervon wird jedoch bei einer angenommenen Datenlieferung über fünf Jahre nur ein Fünftel unmittelbar im Umsatz gezeigt. Der darüber hinaus gehende Betrag wird abgegrenzt und fließt in den vier Folgejahren jeweils anteilig in die Umsatzerlöse ein.

Betrachtet man den cashwirksamen Zufluss als tatsächlichen Maßstab für den Erfolg, ergibt sich ein nochmals deutlich positiveres Bild. Diesen Betrag konnte TomTom im Automotive-Segment seit dem Jahr 2014 von 116 Mio. Euro auf heute 317 Mio. Euro fast verdreifachen:

BMW, Daimler, Fiat, PSA, Renault und VW zählen in diesem Bereich zu den Kunden der Holländer. Natürlich besteht perspektivisch das Risiko, dass jeder der zuvor genannenten digitale Karten & Co. aus anderer Quelle beziehen könnte. Nissan Mitsubishi, aktuell ein TomTom-Kunde, hat sich beispielsweise dazu entschieden, ab dem Jahr 2021 mit Google zusammenzuarbeiten. BMW – um ein weiteres Beispiel zu nennen – bezieht bislang Verkehrsinformationen und Navigation von TomTom. Gut möglich, dass diese künftig über HERE zugekauft werden.

Für die absehbare Zukunft ist TomTom allerdings durch einen hohen Auftragsbestand exzellent abgefedert. Dieser liegt im Bereich Automotive bei über 1 Mrd. Euro. Mehr als das 4-fache des 2018er Umsatzes bzw. mehr als das 3-fache des im Jahr 2018 cashwirksam generierten Betrags ist damit allein aus dem heutigen(!) Auftragsbestand realisierbar.

Das Segment Enterprise beinhaltet alle Geschäftskunden, die nicht aus dem Automobilbereich kommen. Hierzu zählt das Unternehmen unter anderem Entwickler von kartenbasierten Anwendungen, Flotten- und Logistikmanagement, sowie staatliche Einrichtungen. Leuchtturmkunden sind etwa Aleryx, Apple, MapQuest, Microsoft, Pitney Bowes und Uber. Umsatzseitig trat das Unternehmen in den letzten Jahren allerdings auf der Stelle:

Die fehlende Möglichkeit, selektiv auf Daten zugreifen zu können, war lange Zeit ein Bremsklotz, so das Unternehmen. Dieses Manko ist laut TomTom durch den bereits erwähnten API-Zugang zwischenzeitlich behoben. Insofern erwarte man im Bereich Enterprise für die kommenden Jahre eine dynamischere Entwicklung.

Allein für das laufende Jahr soll sich der Umsatz in diesem Segment durch einen einzigen Vertrag um 20% erhöhen. Im Februar 2019 wurde bekannt gegeben, dass TomTom die bestehende Zusammenarbeit mit Microsoft deutlich ausweiten wird. TomTom liefert fortan digitale Karten ins gesamte Microsoft-Universum, dazu zählen beispielsweise Bing, Cortana und Windows.

Ausblick 2019 und Bewertung

Für das laufende Jahr ist erneut ein Rückgang bei TomTom-Navigationsgeräten für Endkunden im Consumer- Bereich zu erwarten. Gleichzeitig wächst das Unternehmen in den Bereichen Automotive und Enterprise. Unterm Strich soll sich der Umsatz von 687 Mio. Euro auf 675 Mio. Euro leicht verringern.

Unter der Oberfläche passiert dabei eine ganze Menge: beim Umsatz wird rückläufiger Hardwareumsatz gegen hochgradig skalierbare Daten- und Softwareumsätze ausgetauscht. Ein Teil der Umsätze wird aufgrund der beschriebenen Abgrenzung nicht einmal unmittelbar ausgewiesen, ist dem Unternehmen allerdings bereits sicher.

Gleichzeitig werden noch über Jahre hinweg akquisitionsbedingte Abschreibungen den Ergebnisausweis belasten. Wir bewerten diesen Umstand allerdings als vollkommen irrelevant – unser Fokus liegt bekanntlich insbesondere auf den Zahlungsflüssen.

Zudem haben sich die Bewertungsparameter durch den kürzlich angekündigten Verkauf des Bereichs Telematics erheblich reduziert. Obwohl sich der Aktienkurs praktisch nicht bewegt hat, ist die Aktie aus unserer Sicht durch die Transaktion deutlich attraktiver geworden.

Durch den Telematics-Verkauf verliert TomTom zwar einen fühlbaren positiven Ergebnisbeitrag, im Gegenzug erhöht sich allerdings der Kassenbestand des Unternehmens signifikant. Der Enterprise Value (= Börsenwert abzüglich der nicht betriebsnotwendigen Kasse) und damit die Marktbewertung des verbliebenen TomTom-Geschäfts haben sich damit aus dem Stand deutlich reduziert.

Nachdem TomTom bislang praktisch keine überschüssige Liquidität ausgewiesen hat, ist nun praktisch die Hälfte der Börsenbewertung durch Cash unterlegt. Und dies wird aus Aktionärssicht überaus sinnvoll einsetzt. Das bringt uns zum letzten Puzzleteil.

Macht sich hier eine Braut hübsch?

TomTom wurde 1991 gegründet und ist damit 28 Jahre alt. Üblicherweise ein gutes Alter, um in den Bund der Ehe einzutreten. Zugegeben, was folgt ist bloße Spekulation. Aber wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass sich die Braut TomTom möglicherweise für die Hochzeit schön macht. Ob wir mit unserer Vermutung richtig liegen, ist für unseren Investment Case nicht entscheidend, könnte sich aber als extra Sahnehäubchen erweisen.

Denn eines ist auffällig: TomTom bekommt durch den Verkauf der Telematics-Sparte nach Abzug von Verbindlichkeiten rund 850 Mio. Euro Cash aufs Konto. Normalerweise ist das Management einer Gesellschaft froh, einen solchen Betrag sicher in der unternehmenseigenen Kriegskasse bunkern zu können. Insbesondere dann, wenn das Unternehmen in einem wettbewerbsintensiven Umfeld mit deutlich größeren Konkurrenten à la Google aktiv ist. Da kann es aus strategischer Sicht überlebensnotwendig sein, eine Reserve zu haben, die im Zweifel für Akquisitionen eingesetzt werden kann – und sei es, um komplementäre Technologien zu erwerben.

TomTom scheint allerdings einen anderen Weg zu wählen: Das noch immer gründergeführte Management wird satte 750 Mio. Euro so schnell wie möglich an die Aktionäre auskehren. Dieser Betrag soll noch im Jahr 2019 fließen, übrigens vollkommen frei von einer Belastung durch holländische Quellensteuer.

Welche Motivation steckt dahinter? Klar, die vier Gründer, die heute noch 44,10% am Unternehmen halten, werden sich über rund 330 Mio. Euro auf ihren Konten freuen. Und trotzdem: die Eile überrascht.

Insofern halten wir es für nicht ausgeschlossen – und ja, das ist an dieser Stelle pure Spekulation! – dass die Bilanz des Unternehmens hierdurch bewusst „leicht“ gemacht werden soll. Mit dem Ziel, bei einem möglichen Verkauf des Unternehmens einen besseren Preis realisieren zu können?

Ein letzter Blick auf den Notizzettel vom Anfang: auf der einen Seite Google, auf der anderen Seite HERE – dominiert durch die deutschen Autobauer. Aus Sicht eines Dritten könnte sich die Unabhängigkeit von TomTom als DAS Asset schlechthin herausstellen und damit zu einem weiteren Schlüssel für unseren Investmentcase werden.