Paladin Investorenbrief Q2/2020

Die letzten Monate hatten es wirklich in sich: COVID-19 breitete sich weiter aus und verlangt nach immer neuen Antworten. „Wie schütze ich mich am Arbeitsplatz?“ Wer das wissen will, kann die aktuelle Apotheken-Umschau lesen – und befindet sich damit in guter Gesellschaft. Etwa jeder vierte Bundesbürger im Erwachsenenalter konsumiert Deutschlands reichweitenstärkstes Magazin.

An der Reichweite arbeiten wir noch. Eine Antwort auf die Frage nach verlässlicher Performance in turbulenten Märkten haben wir bereits heute: unser Investorenbrief stellt zwei spannende Unternehmen vor, die sich lange in unserem Portfolio versteckt hielten. Und beleuchtet zudem die erfolgreiche Wertentwicklung im 2. Quartal 2020.

Klar, auch wir mussten mit unserem Fonds Paladin ONE durch stürmische See manövrieren, haben zur Jahresmitte aber unbeschadet ruhigere Gewässer erreicht. Mit der Zwischenbilanz sollten unsere Investoren zufrieden sein: die meisten Indizes haben zwar einen großen Teil ihrer zwischenzeitlichen Verluste wieder aufgeholt, notieren aber seit Jahresbeginn noch immer im Minus.

Unser Fonds Paladin ONE hingegen konnte Ende Juni ein neues Allzeithoch markieren. Seit Jahresbeginn steht ein Plus von 8,61% (Stand 30.6.2020) zu Buche.

Ganz ehrlich, dass sich die Börsen weltweit derart fulminant vom Frühjahrscrash erholen, damit haben auch wir nicht gerechnet. Waren aber dennoch gut aufgestellt. Denn wir wissen: eine Marktmeinung muss man sich leisten können. Liegt man falsch, läuft sie schmerzhaft gegen einen.

Aus diesem Grund denken wir grundsätzlich in Szenarien. Inmitten des Crashs, im März, gab es natürlich Anlass zur Sorge, dass die Märkte mit hohem Abwärtsdruck weiter einbrechen könnten. Wie in unserem letzten Investorenbrief beschrieben, waren wir auf ein solches Szenario vorbereitet und hatten das Portfolio entsprechend abgesichert. Parallel reduzierten wir operative Risiken im Fonds, indem wir Unternehmen verkauften, deren Geschäftsmodelle unmittelbar von der Corona Pandemie betroffen waren.

Davon unbenommen kauften wir gleichzeitig Unternehmen, deren operative Entwicklung aus unserer Sicht weitgehend unberührt von Anti-COVID-19-Maßnahmen und einem konjunkturellen Abschwung war; deren Kurse sich im Crash jedoch trotzdem spürbar reduziert hatten.

Unterm Strich hat unser Portfolio in den letzten Wochen genau so reagiert, wie von uns im letzten Investorenbrief antizipiert. Im März schrieben wir: „Behalten die Optimisten Recht, sind wir mit mehr Aktien auf dem Weg nach oben dabei, als zuvor auf dem Weg nach unten. Ja, natürlich kostet uns in diesem Szenario die Absicherung über den Short-Future Geld. Der positive Effekt – ausgedrückt in einer attraktiven Performance – sollte aber deutlich überwiegen.“

Die derivative Absicherung des Portfolios besteht noch immer. Denn die Gründe sind – trotz COVID-19-Lockerungen – unverändert dieselben: unser gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben ist mit einer vollkommen neuen Bedrohung konfrontiert, deren tatsächliche Auswirkungen bestenfalls diffus greifbar sind. Wir haben die gesunkene Volatilität an den Börsen daher einzig dazu genutzt, den Short-Future auf den DAX in klassische Put-Optionen zu tauschen. Wir leisten uns eine Versicherung, die einspringt, sollten die Märkte stark fallen. Tritt das Gegenteil ein – und die Märkte schießen nach oben – kostet uns das nur einen vergleichsweise geringen Betrag.

Wir wünschen weiterhin gute Gesundheit und eine schöne Sommerferienzeit

Für das Paladin-Team
Matthias-Chr. Kurzrock Marcel J. Maschmeyer

Schneller geht’s nicht? Schneckenpost bremst Online-Apotheken

Unsere Beteiligungen an den beiden Online-Apotheken Shop Apotheke und Zur Rose (DocMorris) sind ein wichtiger Baustein für die gute Performance im ersten Halbjahr 2020. Beide Aktien haben sich in den letzten Monaten mehr als verdoppelt. Wer allerdings glaubt, dass die gute Kursentwicklung der Online-Apotheken maßgeblich auf COVID-19 zurückzuführen ist, der irrt. Natürlich haben Online-Apotheken, wie die Branche generell, von der Pandemie profitiert. Der entscheidende Stimulus kam allerdings aus einer ganz anderen Richtung.

Apotheken im Internet verkaufen sowohl nicht-verschreibungspflichtige Medikamente (OTC), als auch verschreibungspflichtige Präparate (Rx). In dieser Hinsicht unterscheiden sie sich nicht von stationären Ladengeschäften. Das OTC-Geschäft ist in Deutschland frei von Regulierungen und damit grundsätzlich vergleichbar mit jedem anderen Online-Handel. Verschreibungspflichtige Medikamente hingegen darf die Online-Apotheke nur dann in den Versand geben, wenn ihr das vom Arzt ausgestellte Rezept in Papierform vorliegt. Der Patient muss das Rezept dafür erst auf den Postweg bringen, bevor er das bestellte Medikament mit zeitlicher Verzögerung zugestellt bekommt. Es leuchtet unmittelbar ein, dass dieser Umstand ein Bremsklotz für den Handel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten ist.

Bereits im letzten Jahr verfolgten wir aufmerksam die Entwicklungen auf Gesetzesebene, die diesen Bremsklotz in naher Zukunft lösen könnten. Damit – so unsere letztjährige Schlussfolgerung – standen die Online-Apotheken an einem entscheidenden Wendepunkt. Und das nicht nur im Hinblick auf ihr Geschäftsmodell. Vielmehr kristallisierte sich ein konkreter Katalysator heraus, der die Online-Apotheken in puncto Wachstum in ganz andere Größenordnungen katapultieren könnte. Auch wenn zum damaligen Zeitpunkt der Marktanteil vergleichsweise gering war, schien eine perspektivische Vervielfachung möglich. Doppelt spannend: die Aktienkurse der Online-Apotheken hatten sich bis dahin kaum bewegt. Uns war klar, sollten wir richtig liegen, hätten wir es hier mit einem mustergültigen Wahrnehmungs-Case zu tun.

Doch die Geschichte ist deutlich komplexer, als man vermuten mag. Wer in diesen Themenkomplex eintaucht, verfängt sich leicht in einem Geflecht gesetzlicher Regulierungen, an dessen Enden etablierte Interessenvertretungen permanent zerren, um die Rahmenbedingungen zu ihren Gunsten zu beeinflussen.

Zuallererst ist hier die ABDA zu nennen, die Vertretung der herkömmlichen Apotheker. Ihr Ziel ist es, die ortsnahe Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten durch stationäre Apotheken zu gewährleisten. Vordergründig geht es also um das Thema „Versorgungssicherheit“ – auf den zweiten Blick erkennt man das Bestreben, die langjährig zementierte Apothekenstruktur möglichst dauerhaft zu verteidigen. Der ABDA stehen die Online-Apotheken gegenüber, die natürlich die Chance beim Schopf ergreifen möchten, den verkrusteten Apothekenmarkt aufzubrechen. Die gesetzlichen Krankenkassen wirken als vermeintliches Korrektiv. Sie verfolgen in erster Linie das Ziel, effizientere und damit kostengünstigere Strukturen im Gesundheitswesen zu schaffen, um das System bezahlbar zu halten. Am Ende ist relevant, was im Gesetz steht. Genauer: DEN GESETZEN. Denn das sind, im vorliegenden Fall, gleich vier: GSAV (Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung), VOASG (Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz), AMG (Arzneimittelgesetz) und PDSG (Patientendaten-Schutz-Gesetz).

Alles was Spaß macht, ist verboten

Seit dem Tag, an dem erstmals ein Medikament über das Internet gehandelt wurde, schweben zwei Damoklesschwerter über den Köpfen der Online-Apotheken. Zum einen das sogenannte Bonus-Verbot, zum anderen eine im Raum stehende Regelung, die den Versand verschreibungspflichtiger Medikamente (Rx-Versandverbot) grundsätzlich verbieten soll.

Beginnen wir mit dem Bonus-Verbot: eingangs wurde die Hürde beschrieben, mit der Online-Apotheken durch den postalischen Versand des Papierrezepts beim Rx-Versand konfrontiert sind. Um dennoch für Kunden attraktiv zu sein, arbeiten Online-Apotheken seit jeher mit Rabatten. Sie geben einen Teil ihrer Marge als Bonus an den Kunden weiter. Diese Praxis wurde immer wieder angegriffen, auch auf dem Rechtsweg. Im Oktober 2016 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) abschließend, dass Apotheken mit Sitz außerhalb Deutschlands verschreibungspflichtige Medikamente an deutsche Kunden mit Discount verkaufen dürfen (Rs. C-148-15).

Mit Blick auf das Bonus-Verbot haben die Online-Apotheken durch das EuGH-Urteil eigentlich seit Jahren Ruhe. Dass wir das Wort eigentlich kursiv setzen müssen, ist angesichts höchstrichterlicher Rechtsprechung fast schon skurril. Letztlich ist es jedoch nur ein weiterer Beleg dafür, wie erfolgreich Interessenvertretungen ihre Absichten politisch positionieren können. Darauf kommen wir später noch einmal zurück.

Das Bonus-Verbot hat sich insofern aus Sicht der herkömmlichen Apotheker über viele Jahre als stumpfes Schwert erwiesen. Sicherlich ein wesentlicher Grund dafür, dass aus diesen Kreisen seit über zehn Jahren immer wieder die Idee eines grundsätzlichen Rx-Versandverbots ins politische Gespräch gebracht wird. Ginge es nach den stationären Apothekern, sollte der Versand von verschreibungspflichtigen Medikamenten vollständig verboten werden.

Solch ein Verbot würde das Geschäft der Online-Apotheken auf nicht-verschreibungspflichtige Präparate reduzieren und ihnen damit einen wesentlichen Teil der Geschäftsgrundlage entziehen.

Bereits im Jahr 2006 legte das Bundesgesundheitsministerium einen ersten Entwurf für ein Gesetz zum Verbot des Rx-Versandhandels vor. Der damalige Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) kündigte seinerzeit an, „das Notwendige und das uns Mögliche zu tun, damit die flächendeckende Arzneimittelversorgung durch ortsnahe Apotheken gesichert bleibt“. Auch wenn dieser Gesetzentwurf niemals in Kraft trat, war ein Rx-Versandverbot damit keinesfalls vom Tisch. Letztlich fand das Thema im Februar 2018 seinen Weg in den aktuellen Koalitionsvertrag von CDU und SPD.

Der heutige Bundesgesundheitsminister schlug in der Folge jedoch eine vollkommen entgegengesetzte Richtung ein. Jens Spahn will kein Verbot und verweist immer wieder darauf, dass ein solches europa- und verfassungsrechtlich nicht durchsetzbar sei. Damit hat er sich zweifelsohne nicht nur Freunde gemacht, als er auf dem Deutschen Apothekertag im letzten Jahr unmissverständlich seinen Standpunkt erklärte.

Nachdem die Apotheker beim Bundesgesundheitsminister mit einem Rx-Versandverbot bisher auf Granit bissen, machen sie sich nun über ihre Vertretung ABDA bei den Bundesländern für ein Versandverbot stark. Und das mit Erfolg: der Gesundheitsausschuss des Bundesrats sieht keine grundsätzliche Kollision des Rx-Versandverbots mit EU-Recht. Weder die Berufsausübungsfreiheit noch der Gleichheitsgrundsatz stünden einem Verbot entgegen. Gesundheitspolitik sowie die Organisation des Gesundheitswesens seien Angelegenheit der Mitgliedsstaaten. Die Bundesländer haben auf dieser Basis potentiell Gesetzesinitiativrecht.

Für den Bundesgesundheitsminister ist die Initiative der Apotheker über den Bundesrat natürlich ein offener Affront. Entsprechend direkt fiel seine Reaktion aus: „Wenn Sie meinen, die Länder können das besser, stelle ich die Dinge in Berlin gerne ein, bis der Bundesrat seinen Gesetzentwurf vorgelegt hat.“ Seither ruht die Angelegenheit auf Länderebene.

Ein weiterer Gegner des Rx-Versandverbots ist der einflussreiche AOK-Bundesverband, der sich klar positioniert hat: „Spätestens wenn dort (Anm.: in ländlichen Gegenden) Apotheken geschlossen werden, weil Fachkräfte fehlen, hilft ein Versandhandelsverbot für Arzneimittel nicht weiter.“

„Die Dinge in Berlin“

Mit den „Dingen in Berlin“, die der Bundesgesundheitsminister im obigen Zitat andeutet, ist der Entwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken (VOASG) aus April 2019 gemeint. Schon der Name macht die Zielrichtung deutlich: den stationären Apotheken „etwas Gutes tun“. Lobbyarbeit funktioniert.

Kern des Gesetzentwurfs ist die Wiederherstellung der Preisbindung, die der EuGH mit seinem Urteil zuvor kippte. Die Gewährung eines Bonus beim Handel von Medikamenten soll untersagt werden. Als unbedarfter Beobachter runzelt man hier über die erneuten juristischen Winkelzüge erst einmal die Stirn.

Aber der Reihe nach: der EuGH hat mit seinem Urteil zum Bonus-Verbot bei verschreibungspflichtigen Medikamenten die deutsche Preisbindung faktisch ausgehebelt. Obwohl diese formal nach wie vor in §78 Abs. 1 S. 4 Arzneimittelgesetz (AMG) verankert ist, existiert damit für Online-Apotheken eine belastbare Basis für die Gewährung von Boni.

Auch die EU-Kommission stört sich weiter daran, dass im Arzneimittelgesetz unverändert eine Preisbindung definiert ist, noch dazu eine europarechtswidrige. Sie initiierte deshalb bereits vor Jahren ein Vertragsverletzungsverfahren. Im März 2019 wurde dieses Verfahren mit einem Mahnschreiben formell eingeleitet. Mit diesem wurde die Bundesregierung aufgefordert, innerhalb von zwei Monaten ein Konzept zur Aufhebung der Preisbindung für ausländische Versender vorzulegen. Eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof ist auch hier möglich.

Der vorgelegte Gesetzentwurf zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken kommt der Forderung der EU-Kommission nunmehr nach. Die Preisbindung soll aus dem Arzneimittelgesetz eliminiert werden. Gleichzeitig sieht der Entwurf allerdings vor, dass die Preisbindung – und damit auch ein Bonus-Verbot – durch eine entsprechende Ergänzung des Sozialgesetzbuchs quasi durch die Hintertür wieder implementiert wird. Hiermit wäre die Preisbindung zumindest für die Versorgung gesetzlich(!) Krankenversicherter wiederhergestellt. Paradox: was im Arzneimittelgesetz europarechtswidrig ist, soll nun im Sozialgesetzbuch seine Legitimation finden.

Angesichts dieses offensichtlichen Widerspruchs überrascht es nicht unbedingt, dass das Gesetzgebungsverfahren im vorliegenden Fall kein Selbstläufer war. Seit annähernd einem Jahr steht eine Stellungnahme der EU-Kommission aus. Deren Neu-Zusammensetzung und die Corona Pandemie sind sicherlich mit schuld an dieser Verzögerung. Hinzu kommt, dass der Gesetzentwurf auf einem sehr schmalen Grat balanciert.

Dem Vernehmen nach steht Jens Spahn in diesen Tagen mit dem zuständigen EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton in Verbindung, um eine mögliche Lösung für das VOASG zu diskutieren. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird versucht, einen für alle Seiten akzeptablen Kompromiss zu finden. Dieser könnte beispielsweise darin bestehen, dass ein Bonus nicht grundsätzlich verboten, seine Höhe aber gesetzlich stark begrenzt wird.

Für die Online-Apotheken wäre das eine gangbare Lösung. Viel wichtiger allerdings: geht das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz über die Ziellinie, dürfte ein pauschales Rx-Versandverbot wohl im Gegenzug dauerhaft vom Tisch sein – ein Damoklesschwert weniger. Die Online-Apotheken müssen mit der Verabschiedung des Gesetzes zwar eine bittere Pille schlucken; dafür besteht die große Chance, dass sie zukünftig erstmalig einen dauerhaft belastbaren Rechtsrahmen für ihr operatives Geschäft erhalten.

Das ist EIN wichtiger Puzzlestein. Das, was der Bundesgesundheitsminister im letzten Jahr parallel auf anderer Ebene angestoßen hat, könnte ein weiterer sein. Man spräche dann wohl zurecht von einer tektonischen Verschiebung des Marktes zugunsten der Online-Apotheken.

Das eRezept kommt. Und verändert alles.

Die Ausgabe von verschreibungspflichtigen Medikamenten erfolgt für gewöhnlich auf Basis eines Rezepts, das der Patient von seinem Arzt erhält. Das passiert in Deutschland etwa 500 Mio. Mal pro Jahr. Bislang ausschließlich auf Papier. Auch wenn das Gesundheitswesen zunehmend digitalisiert wird: dieser zentrale Schritt in der Prozesskette wird bislang noch analog abgewickelt.

Dabei besteht für die elektronischen Abwicklung bereits seit Jahren eine gesetzliche Grundlage: §48 Abs. 2. S. 1 Nr. 1 Arzneimittelgesetz enthält eine Ermächtigung, das elektronische Rezept (eRezept) einzuführen. Dessen Ausstellung und Nutzung wurde in der Arzneimittelverschreibungsverordnung umgesetzt. Dort steht, dass eine Verschreibung grundsätzlich auch „in elektronischer Form unter Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur erfolgen“ kann.

Tatsächlich wird das eRezept aber noch nicht eingesetzt. Nicht zuletzt deswegen, weil die zwischen dem Spitzenverband der Krankenkassen und den Spitzenorganisationen der Apotheker geschlossenen Rahmenverträge strukturell vom Vorliegen klassischer Rezepte in Papierform ausgehen. Es ist naheliegend, dass insbesondere die Apothekerseite wenig Drang verspürt, sich auf ein eRezept einzulassen. Im Gegensatz dazu machen sich die Krankenkassen für das eRezept stark, denn die Digitalisierung analoger Rezepte kostet unfassbar viel Geld. Geld, das durch ein eRezept eingespart und anderswo sinnvoller eingesetzt werden könnte.

Der Gesetzgeber reagierte bereits mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung, das am 16. August 2019 in Kraft trat. Wesentlicher Punkt ist die Verpflichtung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherungen und des Deutschen Apothekerverbands die Einführung des eRezepts vorzubereiten.

Liegt das Rezept künftig in elektronischer Form vor, ist das Einlösen dieses Rezepts bei einer Online-Apotheke im Vergleich zu heute ein Kinderspiel. Der Versand auf dem Postweg entfällt, wenn das Rezept elektronisch – beispielsweise über das Smartphone – direkt an die Online-Apotheke übermittelt werden kann. Sicherlich werden wir auch künftig bei einer akuten Erkältung unser Rezept unmittelbar bei der Apotheke vor Ort einlösen. Aber insbesondere bei der Versorgung chronisch Kranker mit planbarem Medikamenteneinsatz kann der Online-Versand ein wichtiges Element werden.
 
Aktuell werden 1,5% aller verschreibungspflichtigen Medikamente online gekauft. Zum Vergleich: die Quote bei nicht-verschreibungspflichtigen Medikamenten liegt heute bereits bei rund 20%. Das unterstreicht die grundsätzliche Bereitschaft, Medikamente über das Internet zu beziehen.

Wie sich der Rx-Versand nach Einführung des eRezepts entwickeln kann, zeigt das Beispiel Schweden. Hier ist der online Anteil des Versands aller verschreibungspflichtigen Medikamente innerhalb weniger Jahre auf etwa 10% gestiegen.

Und selbst bei einer Marktdurchdringung von 10% wäre das Ende der Fahnenstange sicherlich noch nicht erreicht. Schließlich geht es hier um Produkte, die für den Online-Handel prädestiniert sind: leichte Verpackung, vergleichsweise hoher Warenwert, geringe Retourenquote. Selbst Produkte, die deutlich weniger für den Internethandel geeignet sind – wie beispielsweise Kleidung – haben mittlerweile einen höheren Online-Anteil als 10%.

Investierbare Online-Apotheken: Shop Apotheke und Zur Rose

In Deutschland gibt es eine Handvoll bedeutender Online-Apotheken. Die beiden über die Börse investierbaren Unternehmen Shop Apotheke und Zur Rose (DocMorris) vereinen dabei bereits mehr als 50% des gesamten Online-Apothekenmarkts auf sich. Über die letzten Jahre sind sie im Online-Geschäft insbesondere mit nicht-verschreibungspflichtigen Produkten organisch stark gewachsen. Durch ihre starken Marken, die bestehende Kundenbasis, die etablierte IT-Plattform und ein stabiles finanzielles Fundament sind beide gleichermaßen prädestiniert dafür, von einem potentiell dynamischen Marktwachstum infolge der Einführung des eRezepts zu profitieren.

Das Pure-Play: Shop Apotheke

Shop Apotheke ist ausschließlich im Online-Handel aktiv und hat hier zuletzt insbesondere mit nicht-verschreibungspflichtigen Produkten jährliche Wachstumsraten von 40% erzielt. Das Unternehmen generiert den größten Teil seines Umsatzes in Deutschland. Zusätzliches Wachstum durch das eRezept kann sich entsprechend direkt auf das Unternehmenswachstum auswirken. Gleichzeitig zeigt die Bilanz aber eine fühlbare Verschuldung, was im Jahr 2019 bei operativ noch roten Zahlen natürlich nicht schön aussah. Auch wenn sich die operativen Kosten durch Marketingaufwendungen, deren Höhe potentiell leicht steuerbar ist, relativieren. Gleichzeitig ließ sich aus der Arithmetik der Gewinn- und Verlustrechnung nachvollziehen, dass der für das Jahr 2020 angekündigte Break Even auf EBITDA-Ebene gut erreichbar sein sollte.

Nach dem Börsengang Ende 2016 entwickelte sich die Aktie der Shop Apotheke sehr dynamisch. Damals unter anderem getrieben durch Gerüchte, nach denen Amazon an einer Übernahme interessiert sei. Zum Zeitpunkt unserer Investmententscheidung im Herbst 2019 schauten wir allerdings auf eine Kursentwicklung zurück, die über ein Jahr per Saldo praktisch seitwärts verlaufen war. Die greifbare Aussicht auf das eRezept hatte der Kapitalmarkt zum damaligen Zeitpunkt ganz offensichtlich noch nicht auf dem Schirm.

Der heimliche Marktführer: Zur Rose

Zur Rose ist im Rx-Versand bereits heute umsatzseitig ungefähr doppelt so groß wie Shop Apotheke. Der Einstieg in den Versand von Arzneimitteln erfolgte im Jahr 2012 durch den Kauf der Versandapotheke DocMorris von Celesio. Rückblickend betrachtet erscheint der Kaufpreis von 25 Mio. Euro relativ gering. Dies war unter anderem auch der damaligen deutschen Rechtsprechung zum Verbot von Rezept-Boni geschuldet. Seither hat die Zur Rose-Gruppe das Versandgeschäft durch Akquisitionen stark ausgebaut. Letzte Woche gab Zur Rose die Übernahme einer weiteren im deutschen Markt aktiven Versandapotheke bekannt. Das anorganische Wachstum muss über die kommenden Jahre intern noch verdaut werden. Größenvorteile, sowie die Zusammenlegung von IT-Strukturen und anderen operativen Abläufen bieten gleichzeitig aber natürlich auch Spielraum für Ergebnisverbesserungen. Das Unternehmen hat mit dem Deutschen Hausärzteverband und dem Spitzenverband bereits Kooperationen zum eRezept initiiert und mit der Techniker Krankenkasse ein erstes Rx-Pilotprojekt gestartet.

Im Jahr 2019 wies das Unternehmen im Online-Geschäft auf EBITDA-Basis nach wie vor rote Zahlen aus. Das war allerding nicht problematisch, da das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt bereits über ein etabliertes Geschäft in der Schweiz verfügte. Dies unterteilt sich in ein Ärztegeschäft (B2B) und ein Retailgeschäft (B2C). Im B2B-Geschäft beliefert das Unternehmen derzeit insbesondere Ärzte in der Ostschweiz und profitiert hier von einem Konsolidierungsprozess, der durch anhaltenden Kostendruck im Gesundheitssystem angetrieben wird. Im B2C-Geschäft ist das Unternehmen auch im stationären Handel vertreten, unter anderem über eine Kooperation mit Migros.

Die Qual der Wahl

Zum Zeitpunkt unserer Investmententscheidung war der Kursverlauf bei Zur Rose mit dem bei Shop Apotheke vergleichbar. Der Kurs hatte sich über ein Jahr in einer historisch betrachtet relativ niedrigen Handelsspanne eingependelt. Auch hier war eine Einpreisung des eRezepts nicht wirklich erkennbar.
 
Wir haben die Zahlenwerke von Shop Apotheke und Zur Rose im letzten Jahr intensiv analysiert. Analyseschwerpunkte waren dabei die jeweiligen Finanzierungsstrukturen in Kombination mit der Arithmetik der Gewinn- und Verlustrechnungen – insbesondere mit Blick auf das weitere Wachstum. Beide Unternehmen waren dabei aus unserer Sicht sehr attraktiv bewertet, auch mit dem Wissen um die Potentiale des eRezepts.

Folgerichtig erwarben wir Beteiligungen an beiden Unternehmen für unseren Fonds Paladin ONE. Für uns war nicht entscheidend, welcher der beiden Kontrahenten am Ende die Nase vorne haben würde. Vielmehr erwarteten wir, dass beide Unternehmen durch die eRezept-Welle gleichermaßen nach oben gespült würden.

Durch die Aufteilung unseres Engagements tauchten beide Titel lange Zeit nicht in den Top-Positionen unseres Fonds auf. Dabei machten sie bereits zu Jahresbeginn 2020 zusammen rund 5% des Portfolios aus; eine fühlbare Position mit gleichzeitig erhöhter Liquidität.

PDSG: vier Buchstaben bringen den Durchbruch

Inmitten der Corona Pandemie kam es zu einer vollständigen Neubewertung beider Aktien, die die Kurse in neue Höhen trieb. Das hatte weniger mit dem Virus als vielmehr mit einem winzigen Detail in der Gesetzgebung zu tun. Dieses Mal im Entwurf für ein Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG).

Ein zentraler Punkt des Gesetzes ist die Einführung der elektronischen Patientenakte. Daneben werden aber auch Details rund um das eRezept behandelt. In dieser Hinsicht erfuhr das Gesetz auf den letzten Metern des Gesetzgebungsverfahrens eine entscheidende Wendung. Der ursprüngliche Entwurf ging noch davon aus, dass Arzneimittel ungeachtet des eRezepts auch künftig papierhaft verordnet werden können. Die unterdessen vom Bundeskabinett beschlossene Fassung sieht nun vor, dass ärztliche Verordnungen ab dem Jahr 2022 grundsätzlich nur noch per eRezept erfolgen sollen.

Das könnte aus Sicht der Online-Apotheken den Knoten zum Platzen bringen. Wäre das eRezept ohne diese Verordnung eingeführt worden, hätten die Versandhändler vor der Herausforderung gestanden, den einzelnen Arzt von der Nutzung des eRezepts überzeugen zu müssen, um sich dann in einem zweiten Schritt mühevoll um dessen Patienten als Kunden zu bemühen.

Mit Blick auf das jetzt verabschiedete Gesetz ist die Ausgangssituation eine völlig andere: es ist greifbar, dass im Jahr 2022 adhoc bis zu 500 Mio. eRezepte im Umlauf sein werden. Die Online-Apotheken müssen dann keine Überzeugungsarbeit mehr leisten und können sich einzig auf die Kundengewinnung konzentrieren. Das dürfte die Marktdurchdringung kräftig beschleunigen.

Das Ende der Wahrnehmungsphase. Ein Ende mit…Gewinn

Bei der Bewertung von Unternehmen haben wir uns schon vor längerem vom Dogma des vermeintlich einzig richtigen Unternehmenswerts gelöst. Stattdessen denken wir in Szenarien. Der Nutzen dieser Vorgehensweise ist im vorliegenden Fall besonders deutlich.

Zum Zeitpunkt unserer Beteiligung an den beiden Online-Apotheken hatten wir zwar die Einführung des eRezepts auf dem Radar, nicht jedoch eine verpflichtende Anwendung ab dem Jahr 2022. Gleichwohl haben wir bei der ursprünglichen Bewertung der Unternehmen bereits unterschiedliche Szenarien für die Dynamik der künftigen Marktdurchdringung berücksichtigt. Mit dem veränderten regulatorischen Rahmen mussten wir unsere Rechenmaschine deshalb auch nicht erneut anwerfen. Ein Blick in unsere Bewertungsmatrix zeigte schnell, in welche Bewertungsregionen uns die veränderte Situation führt. Trotz steigender Kurse warteten wir deshalb geduldig und entspannt ab. Die Matrix bewahrte uns davor, die Aktien zu früh zu veräußern.

Während wir diese Zeilen schreiben, sind wir nun aber doch dabei, beide Positionen deutlich zu reduzieren. Das eRezept ist derzeit in aller Munde, die Broker übertreffen sich gegenseitig mit immer höheren Kurszielen für die Online-Apotheken und die Bewertungen sind kräftig gestiegen. Die Wahrnehmung beider Unternehmen am Kapitalmarkt hat sich in den letzten Monaten fulminant verändert.

Jetzt folgt die Umsetzung – die Unternehmen müssen nun also erst einmal liefern. Diese Umsetzung wird zwangsläufig erst im Jahr 2022 so richtig an Fahrt gewinnen (Wahrnehmungsphase vs. Umsetzungsphase), während die Menschen im laufenden Jahr nach Paracetamol-Hamsterkäufen im März wohl erst einmal ausreichend versorgt sein dürften.

Wir konnten mit beiden Positionen sehr attraktive Gewinne für unsere Investoren im Fonds erzielen. Schade eigentlich, dass wir sie bereits abbauen müssen. Denn eigentlich betrachteten wir beide Engagements als Kerninvestments, die wir mit unserem Fonds langfristig hätten begleiten wollen.

Immerhin haben wir durch die Reduzierung der Positionen unseren Vorrat an trockenem Pulver erhöht und damit weiteren Handlungsspielraum gewonnen. Und wer weiß; es wäre nicht das erste Mal, dass wir einem Unternehmen gerade dann mit Kapital zur Seite stünden, wenn es nicht auf der Sonnenseite des Kapitalmarkts steht. Denn gerade die Unwegsamkeiten in der Umsetzungsphase können den Kurs eines Unternehmens erfahrungsgemäß wie ein Stück Blei belasten. Dieses antizyklische Verhalten hat uns über die Jahre bei einer Reihe von Unternehmen Sympathien eingebracht – und damit gleichzeitig zur guten Entwicklung des Fonds Paladin ONE beigetragen.

Anlagestrategie des Paladin ONE

Der Paladin ONE ist ein Aktienfonds, der primär in Aktien aus dem deutschsprachigen Raum investiert (D-A-CH). Eine benchmarkorientierte Denkweise wird bewusst vermieden. Der absolute Vermögenserhalt steht im Vordergrund.

Wir verfolgen zwei Ziele:

1. eine durchschnittliche Performance von 10% p.a. im langjährigen Durchschnitt
2. bei einer im Vergleich mit gängigen Aktienindizes deutlich geringeren Volatilität. 

Der Fonds investiert ausschließlich auf Basis von eigenem Research in ein konzentriertes Portfolio aus 15 bis 25 Aktien.

Der dem Paladin ONE zugrunde liegende selbst entwickelte, stringente Investmentansatz setzt auf drei Säulen: Value-Aktien, Sondersituationen und Liquidität.

Value-Aktien sind unserer Definition nach unterbewertete Unternehmen mit der Fähigkeit, nachhaltig positive Zahlungsströme zu generieren (Free Cashflow). Die Auswahl geeigneter Unternehmen erfordert im ersten Schritt die Analyse großer Datenmengen. Hierbei profitieren wir von einer großen und sukzessive weiter wachsenden Wissensdatenbank. Die Analyse potentieller Zielunternehmen erfolgt mit unserem selbst entwickelten Analysetool. Hinzu kommen Gespräche mit dem Management der Zielunternehmen. Jede Investmententscheidung wird im Rahmen eines internen Dokuments ausführlich verschriftlicht.

Sondersituationen (sogenannte Special Situations) bilden die zweite Säule unseres
Anlagekonzeptes. Durch die Investition in Sondersituationen gewinnt das Portfolio deutlich an Planbarkeit und Stabilität. Um diese Situationen richtig zu erkennen, zu bewerten und treffsicher zu nutzen, bedarf es langjähriger Erfahrung und sehr spezieller juristischer Kenntnisse. Das Paladin-Team verfügt über den wertvollen Erfahrungsschatz von mehr als 150 analysierten Sondersituationen.

Eine stark atmende Liquidität ist die dritte Säule unserer wertorientierten Anlagestrategie. Diese sichert in Phasen von verstärkten Kursbewegungen die Wertentwicklung des Fonds gegen zu starke Kursschwankungen ab und dient gleichzeitig als trockenes Pulver für neue Opportunitäten.

Wertentwicklung des Paladin ONE



Alle Berechnungen auf Basis der Bewertung vom 30. Juni 2020

Das Resultat lässt sich am besten in folgendem Chart ablesen. Hier ist gut zu erkennen, dass sich der Fonds – insbesondere in schwachen Marktphasen – deutlich stabiler entwickelt hat als der CDAX.

Paladin ONE vs. CDAX (relativ), Zeitraum: 17.11.2014-30.06.2020

Das Portfolio des Paladin ONE zum 30.06.2020

Ganz oben auf der Wunschliste unserer Investoren steht regelmäßig ein umfassender Einblick in das Portfolio des Paladin ONE. Größtmögliche Transparenz bietet das Factsheet unseres Fonds mit tagesaktuellen Informationen zum Paladin ONE:

  • Performance und Kennzahlen
  • aktuelle und historische Gewichtung der drei Säulen Value-Aktien, Sondersituationen und Liquidität im Zeitverlauf
  • Top 10 Positionen, Übersicht Länderallokation und Gewichtung des Portfolios nach Marktkapitalisierung