Rosarote Luftschlösser vs. Realität – Was macht eine belastbare Analyse aus?
„Sportliche“ Analysten
Schon erstaunlich, die typische Prognose eines Kapitalmarktanalysten ähnelt in schöner Regelmäßigkeit der Form eines Hockey-Sticks:
Nach anfänglichen Herausforderungen in der Unternehmensentwicklung wird in den Folgejahren alles besser.
Dabei gehen viele Analysten von den immer gleichen Annahmen für die Zukunft aus:
- verbesserte Marktbedingungen
- steigende Umsätze
- Effizienzgewinne und Kosteneinsparungen
- Margenexpansion
Ein einheitliches Bild, geprägt von viel Optimismus und wenig Raum für Ungewissheit.
Woher stammt diese Zuversicht?
Selbstverständlich gehört es zum Job eines fähigen Unternehmers, das eigene Unternehmen voranzubringen. Er will mitreißen, entwickeln, verbessern. Die Herausforderung dabei: der Unternehmer ist nicht allein auf der Welt, andere Unternehmer sind in gleicher Mission unterwegs.
Der kontinuierliche Druck, die Position des Unternehmens im Verhältnis zum Wettbewerb zu verbessern, treibt die Unternehmen und Unternehmer dieser Welt an. Dieser Druck führt seit jeher zu technologischem Fortschritt und beschert uns regelmäßig Innovationen. Ab und an ist ein Unternehmen in der glücklichen Position, sich für eine Weile nennenswert von seinen Wettbewerbern absetzen zu können.
In dieser Phase ist die Ernte besonders reich: mehr Wachstum und höhere Gewinne sind der Lohn für die harte Arbeit. Aber die Konkurrenz schläft nicht und bestehende Alleinstellungsmerkmale und Wettbewerbsvorteile werden im Laufe der Zeit durch Wettbewerber wieder ausgeglichen.
Im langjährigen Durchschnitt passiert also nicht viel: Margen steigen und fallen, neue Unternehmen steigen in den Markt ein und andere gehen Konkurs.
Wir sehen also, dass Prognosen – die grundsätzlich optimistischen Annahmen – einer nicht ganz so einfach zu skizzierenden Realität gegenüberstehen.
Und das ist die Realität
Als Investor ist dieser Optimismus in der Regel jedoch fehl am Platz, denn er birgt reichlich Enttäuschungspotential.
Nachfolgend ein Diagramm von Rupert Hargreaves, über das ich vor einiger Zeit stolperte. In diesem sind die Analystenschätzungen für die Unternehmen aus dem Russell 2000 Index der letzten sechs Jahre zu sehen.
Zum Zeitpunkt des jeweiligen Jahreswechsels sind die erwarteten Ergebnisse für das dann folgende Jahr durchschnittlich fast 20% höher als noch im Jahr zuvor. Dieser Optimismus wird dann sukzessive von der Realität kassiert.
In den vergangenen sechs Jahren führte dieses Spiel dazu, dass am Ende ein durchschnittlicher Ergebnissprung von nur lediglich 3,2% resultierte – eine ziemliche Schlappe im Vergleich zu den erhofften 15 – 20% pro Jahr.
Gesamtwirtschaftlich gesprochen stellt das Bruttoinlandsprodukt „BIP“ die Gesamtheit der Produktion eines Landes dar. In Deutschland lagen die jährlichen Wachstumsraten seit 2012 bei mageren 1,4%.
Dem gegenüber stehen Analystenschätzungen, die für die kommenden drei Jahre bei den DAX-Unternehmen ein durchschnittliches Wachstum des operativen Gewinns in Höhe von 14,36% pro Jahr annehmen. Dabei sind die durchschnittlichen Margen bereits deutlich über ihren langfristigen Durchschnittswerten…
Extreme Entwicklungen tendieren, langfristig gesehen, immer wieder zum historischen Durchschnitt. Früher oder später werden wir diesen Rückgang auch hier verzeichnen. Denn ein solches Umfeld ist viel zu attraktiv für neue Wettbewerber, was zu Preisdruck und erhöhtem Aufwand für Investitionen (neue Maschinen, Schulungen, Forschung und Entwicklung) führt.
Zudem können Dinge schlicht und ergreifend schief laufen:
- ein Unternehmen setzt auf die falschen Produkte
- eine gravierende Delle in der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
- oder einfach nur eine Verzögerung oder ausufernde Kosten bei einem wichtigen Projekt
Irgendetwas passiert eigentlich immer. Ausmaß und Zeitrahmen sind ex-ante quasi nicht realistisch zu bestimmen – und wer liegt schon gerne falsch? Stattdessen flüchten Analysten sich gern in optimistischere Zukunftsszenarien und klammern sich an ein einfacheres Weltbild, in welchem konstant fortgeschrieben wird.
Wir mögen keine Überraschungen. Aber wenn, dann bitte positiv! Unser Antrieb als Fondsmanager ist es nicht, den einen vermeintlich richtigen Wert des Unternehmens zu errechnen. Unser Anliegen ist es in erster Linie vielmehr, Risiken in Form von negativen Überraschungen für unsere Anleger nach Möglichkeit zu vermeiden.
„Wir hauen so lange drauf, bis nichts mehr kaputtgehen kann…“ Dieses unverfälschte Zitat meines Kollegen Matthias Kurzrock beschreibt die Intention unseres Bewertungsansatzes. In unseren Analysen klopfen wir vor allen Dingen die negativen Szenarien ab – dies insbesondere mit Blick auf mögliche Umsatz- und Ergebnisentwicklungen. Je weiter die Planungsperioden unserer Bewertung in der Zukunft liegen, desto mehr müssen sich Wachstum und Margen an historische Durchschnittswerte annähern.
Im Ergebnis gibt es auch bei negativen Entwicklungen selten Gründe dafür, unsere Modelle nennenswert zu überarbeiten oder die ermittelten Kursziele herabzusetzen.